Kaiserslautern Ungeheure Wut und doch zart

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Mit einem Taxi kommt der renommierte Komponist zur Fruchthalle angefahren – die Bahn hatte wiedermal Verspätung. Am liebsten wäre Torsten Rasch ja vom Kaiserslauterer Hauptbahnhof gelaufen, um die Umgebung richtig kennenzulernen. Schließlich ist es sein erster Besuch in der Barbarossastadt.

Dabei war das Reisen für den 1965 in Dresden geborenen Musiker nicht immer selbstverständlich. In der ehemaligen DDR aufgewachsen, waren seine Reiseziele damals noch deutlich beschränkt. Nach dem Mauerfall nutzte Rasch die neugewonnene Freiheit und wanderte nach Japan aus. Ursprünglich sollten es nur ein paar Monate werden, letztendlich wurden es 15 Jahre. Doch das wiedervereinigte Deutschland empfand der ehemalige Ostdeutsche sowieso als eine Art „neues und fremdes Land“, wie er sagt. Daher machte es für ihn „keinen Unterschied“, von der Sprache mal abgesehen, ob er in Deutschland oder Japan lebte. Zwei bis drei Jahre hatte es gedauert, bis Rasch in seiner neuen Heimat auch musikalisch Fuß fassen konnte. Sein besonderes Interesse galt dabei der japanischen Filmmusik. Zwischen 50 und 60 Filmkompositionen sind in der Zeit entstanden. 2005 dann die Rückkehr nach Deutschland, ausgelöst von der Komposition seines Liederzyklus’ „Mein Herz brennt“, der auf den Texten der Rockband „Rammstein“ basiert und mit dem Klassik-Echo ausgezeichnet wurde. Noch während seiner Zeit in Japan kam der Komponist erstmals mit den Werken des deutsch-jüdischen Autors und Lyrikers Thomas Brasch in Berührung, die in der DDR noch verboten waren. Durch das Melodram „Völuspa - Der Seherin Gesicht“ ergab sich 1999 eine Zusammenarbeit mit Braschs Lebensgefährtin, der deutschen Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach. Durch sie fand er den Zugang zu dem Leben und Schaffen des 2001 verstorbenen Schriftstellers. 2008 feierte Raschs erste eigene Oper „Rotter“, basierend auf dem gleichnamigen literarischen Werk von Thomas Brasch aus dem Jahre 1978, im Kölner Opernhaus ihre Uraufführung. Als hätte es das Schicksal so gewollt, war zu diesem Zeitpunkt der Intendant des Opernhauses der heutige Kulturreferatsleiter in Kaiserslautern, Christoph Dammann. Er war es, der Rasch nun anlässlich des ersten Sinfoniekonzerts in der neuen Veranstaltungssaison der Fruchthalle nach Kaiserslautern einlud, um Texte Braschs zu Orchesterliedern umzuformen. Ursprünglich sollte nur eines seiner vielen Gedichte vertont werden. Zwei sind es geworden. Die Wahl fiel auf „Früher kam“ und „Das Grauen“. Beide beschäftigen sich mit Braschs Lieblingsthema „Frauen“ und doch könnten sie in ihrem Ton nicht unterschiedlicher sein. „In seinem Leben gab es viele Frauen und er hatte ein sehr ambivalentes Verhältnis zu ihnen“, weiß Rasch. Die drei bis vier Minuten langen Vertonungen sollen einerseits die „zarte und emotionale Seite der Gedichte zum Ausdruck bringen und andererseits die humorvolle und gleichzeitig grausame Seite“. Katharina Thalbach selbst, mit der Rasch bis heute sehr gut befreundet ist, half ihm bei der Auswahl der Gedichte. „Das Grauen“ lag ihr dabei immer besonders am Herzen. Die „extreme Bandbreite in seiner Dichtung, in der sich auch immer seine eigene Person spiegelt und die seine ungeheure Wut, aber auch gleichzeitig seine Zartheit offenbart“, schätzt Rasch an dem Lyriker besonders. Mit seinen Vertonungen möchte Rasch den Autor wieder etwas stärker ins Bewusstsein seines Publikums holen. Auch für Torsten Rasch selbst ist das Konzert ein wichtiger Schritt. Denn obwohl der Komponist auch internationale Anerkennung genießt, wünscht er sich dennoch, dass seine Werke auch hierzulande öfter gespielt werden.

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