Kaiserslautern Tröste dich, mein Volk

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Händels Oratorien waren nie für eine szenische Aufführung bestimmt. Doch immer wieder kommen sie, weil reizvoll für die Regisseure, auf das Theater. Auch dann, wenn sie – wie beim „Messiah“ – keine dramatische Handlung haben. Eine interessante Bühnenversion des populärsten Händel-Oratoriums in einer musikalisch eindringlichen Wiedergabe zeigt jetzt die Oper Frankfurt.

Es ist beileibe nicht der erste szenische „Messiah“. Achim Freyer oder Claus Guth haben in jüngster Zeit eigenwillige Inszenierungen geboten. John Neumeier oder Ralf Rossa haben das Stück „vertanzt“. Man muss dergleichen nicht machen, denn Händels Musik ist auf alle Fälle bildgewaltig genug. Aber wenn eine szenische Einstudierung mit lohnenswerten ästhetischen Eindrücken und Deutungen aufwartet, ist sie legitim. Dergleichen bietet David Freemans Inszenierung, die bereits 2012 in Kopenhagen erstmals auf die Bühne kam, durchaus. Der australische Regisseur erfindet keine neue Geschichte wie Guth. Er schafft eine im wahrsten Sinn des Wortes brandaktuelle Grundsituation, in der eine Gruppe von Flüchtlingen in einer Ruinenlandschaft sich der biblischen Texte über den Messias erinnert. „Tröste dich, mein Volk“, das sind nach Jesajah 40,1 die ersten Worte des Oratoriums in hellem E-Dur. Und um Trost im Unglück geht es im Kern in dieser Produktion. Der Chor oder die aus der Menge immer nur für einzelne Momente hervortretenden Solisten geben durch die Rezitation der Worte aus der Schrift den Menschen Hoffnung. Diese beginnen in die Geschichte des Messias einzutreten, übernehmen einzelne Rollen. Zum Beispiel die der Maria. Im Passionsteil wird einer zum leidenden Jesus bestimmt – und die Menge zeigt in erschreckender Weise, wie schnell sie sich zu brutalem Verhalten motivieren lässt. Gerade für dieses Spannungsfeld von Realität, Reflexion und Spiel findet die Inszenierung eindruckvolle Lösungen. Eine weitere Dimension sind die Videoeinblendungen, die sowohl Kommentar zur Bibel als auch Verweis auf die kunstgeschichtliche Tradition in der Darstellung der christlichen Botschaft sind. Nach dem Jubel des Hallelujah folgt ein zerstörerischer Angriff. Doch ein Kind steht mitten aus den Trümmern auf und singt nach Hiob 19,25: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. Ähnlich war die Szene auch 1985 in Berlin bei Achim Freyer gelöst. Am Ende ziehen die Menschen ins Ungewisse weiter. Was die Erfahrung mit dem Messias mit ihnen gemacht hat, bleibt offen. Unter Markus Poschner gelingt eine überaus packende musikalische Einstudierung. Der Dirigent setzt viele aparte und ausdrucksvolle Akzente, lässt aber immer luftig und impulsiv musizieren. Der von Tilman Michael einstudierte Chor bewältigt seine immense Herausforderung großartig und überzeugt durch Transparenz und beredte Diktion. Bei den Solisten ist es vor allem die Altistin Katharina Magiera, die durch den hoch differenzierten Einsatz ihrer stimmlichen Mittel und ihre Intensität im Ausdruck begeistert. Tenor Martin Mitterrutzner bewährt sich als Stilist mit nobler Stimmführung. Sehr prägnant singt Vuyani Mlinde die Bass-Stücke. Elizabeth Reiter und Juanita Lascarro teilen sich in jeweils mühelosem und stilgerechtem Vortrag die Sopran-Partie. Gero Bollmann sang bei der Premiere die erwähnte Arie zu Beginn des dritten Teil außerordentlich sicher und klar. Termine 1., 10., 15., 17. und 22. April, 1. und 18. Mai, 4. Juni, www.oper-frankfurt.de

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