Wintersport Tim Kägy: Dem Himmel ganz nah

Tim Kägy liebt spektakuläre Sprünge und das Gefühl von Freiheit auf dem Board.
Tim Kägy liebt spektakuläre Sprünge und das Gefühl von Freiheit auf dem Board.

Tim Kägy kann sein Glück kaum fassen und es sprudelt nur so aus ihm heraus, wenn er erzählt, was ihm passiert ist: Der 23-jährige Snowboarder aus Bolanden darf für Deutschland bei den FISU Winter Games in Lake Placid/USA starten. Dabei wollte er doch nur Snowboardlehrer werden.

Der Donnersbergkreis ist nicht gerade gesegnet mit Schnee und wintersporttauglichen Bergen. Gut, es gibt ein paar Erhebungen, es gibt den Donnersberg, aber es gibt auch einen rührigen Skiclub, der es geschafft hat, einen talentierten Athleten hervorzubringen, den der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband (ADH) jetzt für die FISU Games 12. bis 22. Januar nominiert hat. Die Wettbewerbe, in denen Athleten aus 50 Nationen in zwölf Sportarten um Medaillen kämpfen, gelten nach den Olympischen Spielen als zweitgrößte Multi-Sport-Veranstaltung der Welt. Und Tim Kägy vom Weierhof, einem Ortsteil von Bolanden, ist einer von rund 40 Athleten aus Deutschland, der dabei sein darf.

Dass er einmal vom ADH für einen internationalen Wettbewerb nominiert werden würde, damit hatte er nie gerechnet. Schließlich wohnt er weit weg von den Bergen, und mehr als einmal im Jahr Schneekontakt war für ihn als Kind erst mal nicht drin. Das erste Mal auf Brettern stand er mit elf Jahren, bei der Familienfreizeit des SchneeSport-Clubs Donnersberg (SSCD). Er war sofort begeistert, aber mehr als eine Woche Skiurlaub mit der Familie war zunächst nicht drin. Als sein älterer Bruder aufs Snowboard umstieg, während er weiter Ski fuhr, fand er das am Anfang „richtig doof“, wie er erzählt. Weil er ihn damit allein ließ. Doch das mit dem einen Brett, den Sprüngen und Tricks reizte ihn und er nervte seine Eltern so lange, bis sie ihm 2011 im Skiurlaub die entsprechende Ausrüstung kauften und er in Fischen im Allgäu das erste Mal ein Snowboard schulterte und sich gleich nach der Ankunft auf den Weg zur Piste machte.

Auf dem Anfängerhügel

Für seinen ersten Tag auf dem Brett gab es allerdings keinen Snowboardlehrer mehr, und so erbarmte sich seine Mutter, begleitete ihn mit ihren Skiern zum Anfängerhügel und schaute geduldig zu, wie ihr Sohn versuchte, sich die Technik selbst beizubringen. Was erstaunlich gut klappte. „Am ersten Tag konnte ich schon Lift- und Kurvenfahren“, berichtet er heute. Tim Kägy war sofort begeistert und konnte nicht genug kriegen. „Am dritten Tag habe ich den ersten Kicker geschaufelt, am dritten Tag des Skiurlaubs habe ich meinen ersten Freestylekurs gemacht“, erzählt er, wie das mit dem Schanzen bauen, den Sprüngen und Tricks bei ihm anfing. Dass er abgesehen vom Spaß Talent dafür hatte, merkte er schnell. „Ich komme aus dem Gerätturnen“, erklärt er, warum er sich leichter tat als so manch anderer Anfänger.

Sein für ihn hartes Schicksal war jetzt nur, dass er so weit weg von den Bergen wohnte. Mehr als ein, zwei Wochen im Jahr und die Jugendfreizeiten mit dem SSC Donnersberg waren zunächst nicht drin. 2015 begann Tim Kägy mit der Snowboardlehrerausbildung beim Skiverband Pfalz, auch wenn er dafür noch zu jung war. Er bekam eine Sondergenehmigung, machte den Schein mit 15 Jahren und fuhr ab sofort als Übungsleiter beim SSCD mit.

Die Schule geschwänzt

So oft es ging, machte er sich auf den Weg in die Berge. „Ich war oft am Donnerstag, Freitag krank, habe mich am Mittwochabend in den Zug gesetzt und bin zu einem Kumpel gefahren, der in Innsbruck studiert hat“, erzählt er von heimlichen Snowboardabenteuern. Die dazu führten, dass er als noch nicht mal Volljähriger auf rund 40 Skitage im Jahr kam.

Nach dem Abitur ging der Bolander für sieben Monate nach Kanada, arbeitete im Skigebiet als Snowboardlehrer und Kursbauer und bekam bald einen Sponsorenvertrag für seine Boards. Die zweite Saison nach dem Abitur verbrachte er mit der Snowcard Tirol in den Bergen von Tirol und war seitdem in jeder Saison dort unterwegs. Im ersten Jahr arbeitete er noch als Snowboardlehrer, seit 2018 verdient Kägy sein Geld als Grafikdesigner. Was er dafür braucht, hat er sich selbst beigebracht.

Nach weiteren zwei Monaten in Kanada – er arbeitete in Cypress Mountain, fuhr viel in Whistler Mountain – war für ihn klar: „Ich will nicht mehr weg von den Bergen wohnen, will Snowboarden in den Alltag integrieren, will in Innsbruck studieren, egal was.“ Seit 2019 studiert der Donnersberger Sportmanagement. Dass er dafür länger brauchen wird als seine Kollegen, war ihm von Anfang an klar. Schließlich läuft bei ihm noch einiges parallel.

Trainer der Freestyler

Vor einem Jahr entschied sich Kägy, seine Snowboardlehrerausbildung zu vertiefen. „Vorher hatte ich nur den Trainer C, mein Ziel ist es aber, Snowboardlehrer auszubilden“, erklärt er, warum er sofort offen dafür war, als das Snowboardteam des Skiverbandes Pfalz auf ihn zukam. Seit letzter Saison ist Kägy als Trainer A im Landeslehrteam dabei. Seit Juni 2022 arbeitet er als Assistenztrainer im Nachwuchsbereich Freestyle. Leo Schwiersch vom Bundeslehrteam erzählte ihm von der Universiade. „Ich habe nie darüber nachgedacht, hatte den Fokus auf dem Lehrwesen“, sagt Tim Kägy und gibt zu, dass ihn die Idee, bei einem so großen Event dabei zu sein, gereizt hat.

Doch um dabei zu sein, musste er erst einmal die Nominierungskriterien erfüllen. Eigentlich müsste er Mitglied im Olympia-, Perspektiv-, Ergänzungs- oder Nachwuchskader sein. Doch es gibt auch eine Ausnahme: „Wenn ich eine realistische Chance auf eine Finalplatzierung habe.“ Schwiersch habe ihm schließlich erklärt, dass er seine Erfahrung, die er beim Wettbewerb mache, für die Ausbildung seiner Schüler brauchen könne. Das überzeugte den 23-Jährigen endgültig. Das Bundestrainerteam verfasste Empfehlungsschreiben für ihn, er erfüllte die letzte Voraussetzung, eine Platzierung in den Top16 bei einem nationalen Wettkampf – er wurde Vierter in Scharnitz. Und jetzt startet Tim Kägy für Deutschland in Amerika.

Wettkampfvorbereitungen

Slopestyle und BigAir sind die zwei Disziplinen, für die der Pfälzer gemeldet wurde. Wie sein Kurs genau aussehen wird, weiß er noch nicht. Aber der Student hat in etwa im Kopf, was er zeigen will. Nach einem Heimatbesuch an Weihnachten ging es für ihn wieder in die Berge. Zwei Wochen bereitet er sich vor. Am 12. Januar geht sein Flieger. Abends steht die Eröffnungszeremonie an. Dann ist Pause bis zum 14. Januar. Am 15. und 16. Januar ist Training, am 17. Qualifikation für Slopestyle, am 18. Finale, am 19. Quali für BigAir, am 20. das Finale.

Tim Kägy freut sich zwar riesig auf den Start, ist aber einer, der realistisch bleibt. „Das wird ein einmaliges Erlebnis. Ich bin alt in der Szene, und als Quereinsteiger male ich mir nicht aus, dass ich auf dem Podium lande. Ich will einfach meine persönliche Bestleistung zeigen, und wenn ich das schaffe, bin ich glücklich.“

Zur Sache Slopestyle

Beim Slopestyle geht es darum, einen vorgefertigten Kurs möglichst fehlerfrei und spektakulär zu bewältigen. Es gilt verschiedene Hindernisse zu bewältigen, beispielsweise Kicker (eine Schanze, die den Snowboarder in die Höhe kickt), Corner (eine Schanze, bei der die Landung um 90 Grad zum Absprung versetzt ist), Rails (Geländer) und Boxen (Hindernisse zum Drüberfahren). Bewertet wird dann je nach Ausführung und Schwierigkeitsgrad der Tricks.

BigAir

Bei Big Air geht es darum, auf einer Schanze hoch in die Luft zu springen und dabei Tricks zu zeigen. Die Athleten fliegen dabei bis zu sieben Meter hoch und 25 Meter weit. Bewertet wird nach Höhe, Schwierigkeit und Style.

An Weihnachten war er auf Heimatbesuch in Bolanden.
An Weihnachten war er auf Heimatbesuch in Bolanden.
Je spektakulärer der Sprung, umso höher ist die Bewertung bei den Wettbewerben.
Je spektakulärer der Sprung, umso höher ist die Bewertung bei den Wettbewerben.
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