Kaiserslautern Spielarten der Romantik

Eine Sinfonie, die zumindest teilweise ein Instrumentalkonzert, und ein Konzert, das eigentlich eine Sinfonie mit Soloinstrument ist, standen auf dem Programm des Pro-Arte-Konzerts am Mittwoch im Mannheimer Rosengarten: Der Pianist Nelson Freire und die Brüsseler Philharmoniker unter Michel Tabachnik präsentierten das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms und die „Orgelsinfonie“ von Camille Saint-Saëns.

Von Johannes Brahms erzählt man sich in den Vorlesestunden der Musikgeschichte so allerhand Märchen und Halbwahrheiten: Das fängt mit dem angeblich noch zu Lebzeiten Roberts ausgelebten Verhältnis mit Clara Schumann an, und das endet mit dem Bild vom ewig grantelnden, mürrischen Frauenverächter noch lange nicht. Scheinbar gibt es kein Klischee, das nicht irgendwie auf den Charakterkopf mit Rauschebart passen würde. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Man muss sich nur die Einleitung zu seinem zweiten Klavierkonzert anhören: Dieser Hornruf, der bald, einem Echo gleich, vom Klavier beantwortet wird, ist ja weit mehr als nur eine kompositionstechnische Keimzelle, er ist ist auch eine Botschaft, ja viel mehr noch ein Manifest des Romantischen. Mehr Schubladen braucht es für Brahms nicht. Allerdings treffen wir hier auf eine durch Lebensweisheit in gleichsam geordnete Bahnen gelenkte Romantik. Der stürmerische Impuls des ersten Konzerts, dieser drängende, auftrumpfende Gestus fehlt weitgehend. Stattdessen finden wir einen langsamen Satz, der von weltentrückter Schönheit ist, und der von Nelson Freire und den Brüsseler Philharmonikern unter Michel Tabachnik mit größter Sensibilität gestaltet wird. Überhaupt sind Anschlags- und Pianokultur des Pianisten phänomenal. Und so wird auch dank des zurückhaltenden, nie das Klavier in die Enge treibenden Spiel des Orchesters aus dem Stürmer und Dränger des ersten Konzerts ein mitunter sogar milde-verschmitzt lächelnder Brahms. Ein Romantiker, der sich quasi seine Hörner am Über-Ich Beethoven abgestoßen hat und damit gut leben kann. Zu so viel Gelassenheit passt dann auch Freires Zugabe: Eine Klavierfassung von Glucks „Tanz der Geister“ aus des Oper „Orfeo ed Euridice“. Nach der Pause kommt dann jedoch auch die weit ausholende, emphatisch romantische Geste zu ihrem Eigenrecht. Das Orchester wird personell nochmals aufgestockt, nicht zuletzt mit der Orgel. Auf dem Programm: Camille Saint-Saëns’ dritte Sinfonie in c-Moll, die sogenannte Orgelsinfonie. Einerseits wird diese Sinfonie zusammengehalten von einem dichten thematischen Geflecht, das sich aus einem einzigen Gedanken ableitet. Andererseits ist die Partitur geprägt von einer glasklaren, oft auf polyphone Techniken basierenden Struktur. Und im Ergebnis: von einer überwältigenden Wucht, auch weil das Orchester nachgerade enthusiastisch agiert – während Tabachnik absolut gelassen und mit sparsamsten Gesten die gewaltigen Klangmassen steuert.

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