Kaiserslautern Sinnlich und fromm

Auch ohne szenische Opernaufführung waren bei den heute zu Ende gehenden Herbstfestspielen im Festspielhaus Baden-Baden sängerische Glanzleistungen angesagt. Darüber hinaus war das Festival geprägt von ungewöhnlichen Programmen: Zu erleben waren eine kaum bekannte Oper von Vivaldi und eine ganz außergewöhnliche Kombination eigentlich bekannter Werke.

Letztere bestimmte das gewichtigste Konzert der Festspiele. Zum letzten Mal kamen die Bamberger Symphoniker unter ihrem scheidenden Chefdirigenten Jonathan Nott ins Festspielhaus. Nott und sein Orchester hatten allein mit sechs Sinfonien Mahlers in Baden-Baden Glanzlichter gesetzt. Nun verband Nott den ersten Akt von Richard Wagners „Walküre“ mit der fünften Sinfonie von Anton Bruckner. Bruckner war ja ein großer Verehrer des Bayreuther Meisters, und Wagner sah sein Musikdrama als Fortführung, ja Erlösung der sinfonischen Gattung. Die faszinierende Wirkung dieses Programms lag aber in der Gegenüberstellung einer Musik, die zwischen tiefer Not und höchster Ekstase quasi aus dem Leben gegriffen ist, mit einer, die nicht nur in Fuge und Choral des vierten Satzes metaphysische Dimensionen erschließt. Jonathan Nott war am Pult seines abermals grandiosen Orchesters der überlegende, intensive Spannung aufbauende Wagner-Interpret – und der mit weitem, schier unendlichem Atem und erhabener Tiefe gestaltende Bruckner-Dirigent. Es war abermals eine kongeniale Tat des englischen Maestros. Mit Annette Dasch und Klaus Florian Vogt waren Siegmund und Sieglinde wohl mit dem Wagner-Traumpaar unserer Tage besetzt, das seine Erwartungen mit herrlichstem deutschen Belcanto voll erfüllt. Liang Li war ein markant agierender Hunding. Der Jubel war groß. Eröffnet wurden die Herbstfestspiele durch ein konzertante Aufführung der selten zu hörenden Oper „La fida ninfa“, die der „rote Priester“ Antonio Vivaldi zum sinnlichen Vergnügen der Veroneser Opernfreunde 1732 schrieb. Es ist ein reifes Werk voll musikalischer Schönheiten – und zuweilen schon ein wenig galant in der Vorwegnahme des kommenden Stilideals. Die Oper erzählt eine barockoperntypisch wirre Geschichte aus dem Milieu von Schäfern und Nymphen, die von einem Piraten auf der Insel Naxos festgehalten werden. Doch am Ende geht gattungsgemäß alles gut aus. Andrea Marcon war am Pult des La Cetra Barockorchesters Basel der ideale Interpret, der die Reize der Partitur ebenso subtil wie sinnenfreudig auszuspielen wusste. Im exzellenten Solistenensemble begeisterten die brillante Roberta Invernizzi als Osmino, María Espada als erlesen singende Licori, Franziska Gottwald als stimmschöne Elpina, der Countertenor Carlos Mena als filigran gestaltender Tirsi sowie Topi Lehtipuu als lyrisch geschmeidiger Narete und Robin Adams als prachtvoll singender Korsar. Die Verbindung von weltlicher und geistlicher Sphäre war auch gestern im Konzert des Balthasar-Neumann-Chores unter Thomas Hengelbrock gegeben, wo mal stimmungsvolle, mal fromm getönte romantische Lieder zur Nacht erklangen, ergänzt durch Lyrik der Zeit im Vortrag von „Päpstin“ Johanna Wokalek. Und so geht es im Festspielhaus weiter. Das Hamburg Ballett von John Neumeier bringt vom 6. bis 8. November das Märchenballett „Der Nussknacker“ von Tschaikowsky – und am 14. und 15. November Neumeiers Tanzversion des Bach’schen Weihnachtsoratoriums. Kontakt www.festspielhaus.de —Telefon 07221/3013-101

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