Kaiserslautern Schtonk noch mal!

Er hat die beste deutsche Nachkriegskomödie gedreht. Und eine humorvolle Serie, die das Fernsehen revolutioniert hat. Morgen wird der Regisseur und Drehbuchautor Helmut Dietl 70 Jahre alt. Ein Anlass zum Freuen, zum Lachen – und zum Weinen. Im November hat er nämlich bekanntgemacht, dass er an Lungenkrebs leidet. Operieren kann man nicht mehr.

„Ich scheiß’ dich zu mit meinem Geld!“, sagt der Fabrikant in der Fernsehserie „Kir Royal“ (1986), als er von dem Klatschreporter Baby Schimmerlos nicht das bekommt, was er haben will: eine Erwähnung in dessen Kolumne. „Solange wir hier sitzen, schmieren wir uns kein Hakenkreuz aufs Titelblatt und kein Göringschiff und keine verschwitzten Bademäntel und keine Kaffeelöffel mit Hakenkreuz und Silberpunze!“ sagt der Chefredakteur in „Schtonk!“ (1983), als man ihm die Hitler-Tagebücher in Aussicht stellt. Es gibt noch viel mehr schöne Zitate aus diesen beiden Werken von Helmut Dietl. Damals, in den 1980ern, war Dietl auf der Höhe von Billy Wilder, mit dem er später auch befreundet war. Dietl Filme waren witzige, überdrehte Gesellschaftssatiren, voll aus dem Leben gegriffen. Genie-Streiche bis ins kleinste Details. „Schtonk!“ ist ein Fantasiewort, das Charlie Chaplin in seinem „Großen Diktator“ dauernd spricht, wenn etwas abgeschafft werden soll. Bei Dietl taucht es im Film auf, als der Fabrikant versucht, die Schrift in den Hitler-Tagebüchern zu entziffern und „Kotzschtonk“ liest statt „Gott sei Dank“. Es sind solche Anspielungen, die „Schtonk!“ zu einem intellektuellen Vergnügen machen – neben Dietls Gespür für Musikzitate, für die Zeichnung der Großkopferten, die sich wichtig nehmen und das rechte Maß verlieren, und seine pointengenaue Regie, die einen zum Lachen bringt. „Schtonk!“ war für den Auslands-Oscar nominiert, als einzige deutsche Komödie nach 1945. Das heißt schon etwas. Außer auf die sensationshungrigen Journalisten hatte er es immer wieder auf die Münchner Schickeria abgesehen, die er aus eigener Anschauung gut kannte. Am schönsten in „Kir Royal“, der sechsteiligen Fernsehserie, die er mit dem Schriftsteller Patrick Süskind zusammen schrieb und mit einer Fülle von Stars besetzte: von Mario Adorf über Senta Berger und Paul Hubschmid bis zu Udo Kier und Fritz Muliar. Auch Konstantin Wecker und Curt Bois waren dabei. Immer wieder geht es um Korruption, ums Klauen, um Gaunereien aller Art, einmal auch um die NS-Vergangenheit, vor allem aber um den mühsamen Kampf eines Journalisten, der integer bleiben will und es doch nicht kann. Vetternwirtschaft, Könige, Sex, Untreue und brisante Enthüllungen werden aneinandergereiht. Oft auf Bayerisch, aber man versteht es, ohne dass es in eine Nummernrevue ausartet. Und immer steht es in einem großen Zusammenhang. Das ist eine Kunst. „Kir Royal“ ist eine verfilmte Bildzeitung als Fortsetzungsroman. Dafür gab es den Grimme-Preis in Gold. Neben diesen Meisterwerken verblasst der Rest: die Vorabend-Fernsehserie „Münchner Geschichten“ (1979), mit der er nach abgebrochenem Studium der Theater- und Kunstgeschichte seine Fernsehserien begann, dann „Der ganz normale Wahnsinn“ (1978/79) und „Monaco Franze“ (1983). Auch hier geht es um München, aber es gibt Wiederholungen. Nicht alles ist witzig, und auch das Niveau ist mitunter etwas niedriger. Die großen Enttäuschungen kommen später. Als er 2005 in seinem Kinofilm „Vom Suchen und Finden der Liebe“, einer Orpheus-und-Eurydike-Variante, auch seine langjährige Beziehung mit der Schauspielerin Veronica Ferres als Wunschtraum thematisiert, ist das ebenso beliebig wie seine letzte Kinokomödie „Zettl “ über einen bayerischen Chauffeur, der in Berlin Karriere machen will. Was nicht funktioniert, da Dietl hier als Fortsetzung von „Kir Royal“ die Münchner Schickeria einfach verpflanzen will und keine zündenden Späße mehr findet. 2007 zwingt ihn ein Schlaganfall, eine Pause einzulegen. Ein Projekt mit dem österreichischen Satiriker Josef Hader liegt auf Eis, seit Dietl weiß, dass er Lungenkrebs hat – mit weniger als zehn Prozent Überlebenschance, wie er öffentlich machte. Im Juni, als er unter nicht enden wollenden Ovationen den deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk erhielt, wirkte er etwas schwach und hielt die Tränen zurück, nahm aber die Auszeichnung der Akademie entgegen, die er einst mitgegründet und verlassen hatte, als sie sich seiner Meinung nach in die falsche Richtung entwickelte. Ihren Preis nahm er an, nicht ohne zu witzeln, dass sie wohl versuche, ihn, das verlorene Schaf, dadurch zurückzugewinnen.

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