Kaiserslautern Schauspielend durchstarten
Während „Die Räuber“ schon kurz vor der Theaterpremiere in der kommenden Woche stehen, hat die Gruppe langzeitarbeitsloser Alleinerziehender gerade erst mit den szenischen Arbeiten an „Kabale und Liebe“ begonnen. Bei Presseterminen haben sie Auszüge gezeigt. 16 sind noch dabei In Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ konfrontieren sich die jungen Erwachsenen nicht nur mit den Charakteren aus dem Drama, sondern hauptsächlich mit sich selbst. Wie die Künstler des „Sturm und Drang“, befinden sie sich zwischen selbstbefreiender Selbstverwirklichung und der Verantwortung im sozialen Miteinander. „Ein freies Leben führen wir,/Ein Leben voller Wonne./Der Wald ist unser Nachtquartier,/Bei Sturm und Wind hantieren wir.“ So klingt es im Räuberlied im vierten Akt. Für den Dichter bedeutete das Drama den Durchbruch und es machte ihn über Nacht bekannt. Eventuell haben die schauspielenden Arbeitssuchenden auch ihren Durchbruch? So wünschen es sich die Macher und Träger, die gemeinnützige Projektfabrik aus Witten sowie das Jobcenter und das Arbeits- und Sozialpädagogische Zentrum (ASZ). Angefangen haben die Theaterleute auf Zeit im Oktober mit 22 Teilnehmern. Einige haben das Handtuch geschmissen, 16 sind übrig. Und so stehen sie nun da, machen schon mächtig Eindruck mit ihrem körpersprachlichen und textlichen Ausdruck. Der pädagogische Leiter und Regisseur Oliver Noweck erklärt: „Gemeinsam haben wir das Stück entwickelt, das eine Adaption in die Gegenwart ist. Wir suchen unseren eigenen Zugang zu diesem Jugendwerk des Dichters.“ Die Gruppe habe sich in der Zusammenarbeit toll entwickelt. „Jeder hat sich eingebracht und somit dem Verlauf einen entsprechenden eigenen Dreh verliehen“, sagt Oliver Noweck. Teilnehmerin Selina Messerer meint: „Es war interessant, das Stück in unsere Gegenwart zu setzen. Mit Stilbrüchen haben wir es lebendiger werden lassen und mit eigens kreierten Liedern und Tänzen aufgefüllt.“ Einige der Teilnehmer am Projekt seien geradezu über sich hinausgewachsen, sagt Noweck. Auch Toni Jung sagt das von sich selbst: „Am Anfang war ich sehr skeptisch, aber in der Zusammenarbeit mit der Gruppe hat`s geklappt.“ Die Maßnahme, die gerade nicht vorhat, den Teilnehmenden eine romantische Aussicht auf ein erfolgreiches Räuberleben aufzuzeigen, sondern sich in Selbstverantwortung und aktiver Anteilnahme am Alltagsleben zu üben, empfinden alle Beteiligten als Bereicherung. „Nein, ich habe kein Lampenfieber“, sagt Selina Messerer – und lächelt doch aufgeregt ob der nahenden Aufführung. Ja, anfänglich sei sie unsicher gewesen über die Sinnhaftigkeit der Theaterarbeit und auch ängstlich, sich schauspielerisch vor Publikum zu öffnen. „Ich habe die Angst vor der Bühnenarbeit und meinem Gegenüber verloren und fühle mich sicherer im Umgang mit meinen Schauspielkollegen und im Umgang mit Menschen allgemein“, resümiert sie. Keine Schauspielausbildung Auf neun Monate ist das Theaterprojekt für junge Erwachsene, auf zehn das für Alleinerziehende angelegt. Beiden gleich ist die Aufteilung in zwei Phasen: Bis zur Aufführung wird an vier Tagen pro Woche geprobt, der fünfte Arbeitstag ist für Bewerbungstraining und Berufsfindung reserviert. Nach den Aufführungen wird diese Aufteilung für Phase zwei umgekehrt. Dabei geht es darum, mit theaterpädagogischen Methoden Selbsterfahrung, Kommunikationsfähigkeit und soziale Verantwortung zu erweitern. Es wird eine Verbindung zwischen klassischem und kreativem Bewerbungsmanagement hergestellt. Sich mündlich und körpersprachlich auszudrücken, Texte zu erlernen, die Scheu vor einem öffentlichen Auftritt zu überwinden und eine andere Sicht auf die eigene Biografie zu bekommen, ist Sinn des Spektakels. Dass dies funktioniert, davon ist der stellvertretende Leiter des Jobcenters, Hans-Jürgen Sponhauer, überzeugt. Von 23 Jobact-Teilnehmern seien im vergangenen Jahr 17 in den Arbeitsmarkt und in Ausbildung vermittelt worden. Chorisch ohne feste Rollen Für langzeitarbeitslose Alleinerziehende steht dieses Jahr erstmals in Kaiserslautern „Kabale und Liebe“ auf dem Programm. 16 Teilnehmer, darunter ein Mann, sind dabei. Über 1000 Alleinerziehende zähle das Jobcenter aktuell zu seinen Kunden, sagt Sponhauer. Überwiegend Frauen mit einem oder mehreren Kindern soll mit Jobact-Family der Berufseinstieg erleichtert werden. Die Integration in den Arbeitsmarkt „kann aber nur in kleinen Schritten erfolgen und geht nicht von heute auf morgen“, betont er. Dabei hilft auch Rebecca Smith von der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW), die das Bewerbungstraining übernimmt. Kofinanziert wird das zehnmonatige Projekt von der Randstad-Stiftung aus Eschborn. Während also die Kinder im Kindergarten, der Schule oder in der extra angebotenen Betreuung sind, geht es für die Eltern bei den Proben in der Tanzschule Zöller ans Eingemachte. Erster Akt, erste Szene: „Auf den Sack schlägt man,/ den Esel meint man.“ Lautstark und im Chor tragen sieben Frauen den Text aus Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel aus dem Jahr 1784 vor, das immerhin 170 Seiten Text umfasst. Darin endet die Liebesbeziehung zweier junger Leute aus unterschiedlichen Schichten durch Intrigen in einer Katastrophe. „Wir haben Schauspieltraining und Chortraining gemacht, das Stück dreimal gelesen und Textpassagen gestrichen“, erklärt Theaterpädagoge Dirk Kaufmann den bisherigen Ablauf seit November. Er ist zufrieden mit seinen Schützlingen: „Es ist eine sehr offene Gruppe, sehr hart an der Arbeit und sie haben das Stück sehr schnell begriffen.“ Der Dreh des Stückes in seiner Interpretation: Es wird chorisch gearbeitet und gibt keine festen Rollen, alles wird gemeinsam gespielt. Erika Lawrence, Mutter eines fünfjährigen Sohnes, geht gerne zu den Probeterminen: „Es macht mich stolz, dass ich hier die Chance bekomme, etwas erfolgreich zu Ende zu bringen“, sagt sie und freut sich schon auf die Premiere im Juni. „Ich will auf die Bühne“, betont sie.