Kaiserslautern Perspektive erweitert

Der Verjüngungsprozess verläuft im Orchester des Pfalztheaters rasant: Viele Stimmführer -Positionen sind von jungen Hochschulabsolventen besetzt. Und die stürzen sich voller Tatendrang in das Abenteuer kammermusikalischer Interpretationen, betreten mutig Neuland, erweitern Perspektiven und suchen nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Dies war beim fünften Kammerkonzert die Quintessenz. Dabei sorgten sechs Vertreter dieser neuen Generation für überraschende Aufführungen in gemischten Besetzungen.

Ausgewählt wurden Komponisten, die um 1900 geboren wurden und die in den vorgestellten Werken nicht unbedingt hinsichtlich Tonalität und Harmonik, aber in der freien Gattung oder ungewöhnlichen Besetzung ausgetretene Pfade der Standardliteratur verließen. Dies gilt besonders für Benjamin Brittens Fantasie für Oboe (Katharina Hirsch), Violine (Ekaterina Romantchouk, sonst Stimmführerin der zweiten Violinen) sowie Viola (Dominique Anstett, Solobratscher) und Cello (Caroline Busser, neue Solocellistin) . Anstelle eines mehrsätzigen, zyklischen Kammermusikwerks komponierte Britten eine einsätzige freie Fantasie, die im Oboenpart rhapsodischen Charakter offenbart, also etwas sprung- und bruchstückhaft wirkt. Über dem grundierenden Cellopart und den Spielfiguren von Violine und Bratsche schöpft die Oboe in der sensiblen klanglichen Ästhetik von Katharina Hirsch ihre melodischen Reize aus und verleiht dem Werk zudem einen improvisatorischen Charakter. Feinsinnige Episoden der Oboen verbanden sich hier mit einem sehr soliden spieltechnischen Standard der Streicher zu einer ungewöhnlich fesselnden Aufführung. Bohislav Martinus Duos für zwei verschiedene Streicher (einmal Violine und Bratsche, dann für Violine und Cello) sind Miniaturen, in denen alles angelegt ist, was auch im sinfonischen Orchesterspiel verlangt wird: exakte Synchronisation der Bewegungsabläufe in Parallelführung, sichere Einsätze bei Imitationen und eisernes Festhalten am eigenen Rhythmus trotz virtuoser Umspielung des Partners oder dessen kontrastierender Gegenbewegung. Alle satztechnischen Finessen, Stil- und Ausdrucksmittel kamen hier bei den bereits genannten Ausführenden wunderbar zur Geltung. Sie agierten grundsätzlich in harmonischer Übereinstimmung, ohne Bruch- und Nahtstellen. In einer virtuosen Solokadenz ließ die Cellistin beim Rondo aufhorchen, der Bratscher nahm durch seine ausdrucksvolle Tongebung und die Geigerin durch ihre Brillanz und klare Strukturierung für sich ein. Nach der Pause mutete Sergej Prokofjews Quintett allein durch die ungewöhnliche Besetzung kurios an. Und in der Tat verdankt es seine Entstehung einer zirzensischen Ballettmusik. Die damalige Ballettcompagnie Boris Romanows wurde genau von dieser seltenen Besetzung aus Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabass begleitet. Zu den Genannten gesellten sich der erst seit Februar dieses Jahres gewählte Soloklarinettist Benjamin Bruschke und die für den entschuldigten Solobassisten einspringende Bassistin Etsuko Kawashita. Während sich letztere auf Anhieb integrierte, wirkte der Klarinettenpart zwar in der lebhaften Spielfreude auftrumpfend und begeisternd. Aber in der Tongebung – wie auch manchmal die Geigerin – wirkte er etwas zu scharf, hart und dominant. Da schien der anstelle eines Celloparts eingesetzte Kontrabass ausgleichend und sicher stützend. Insgesamt eine Interpretation, bei der noch jede(r) primär seinen Part aber nicht den Ensembleklang verfolgte.

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