Kaiserslautern Offen für die Welt
, seit Jahresbeginn Ludwigshafener Ex-Intendant, wurde auf der Bühne gesichtet. Nicht im Theater im Pfalzbau, sondern drüben in Mannheim. Heyme hatte am vergangenen Samstag Mitspieler gecastet für sein neues Shakespeare-Projekt, das er mit Laiendarstellern im Problemviertel Neckarstadt-West in Angriff nehmen will. Da hatte er sich mit seiner Truppe kurzerhand der Demo gegen Ausländerfeindlichkeit angeschlossen und war auch gleich zum Kulturfest ins Capitol weitergezogen. Und dort stand er dann irgendwann auf der Bühne, kämpferisch wie immer und mit einem neuen hellbraunen Kapuzenpulli. Zeitgleich hatte sein Nachfolger in Ludwigshafen Premiere mit seiner neuen Reihe „Wort und Wein“. Tilman Gersch plauderte mit der als Liselotte von der Pfalz erschienenen Schauspielerin Sybille Weiser und kredenzte Pfälzer Wein. Gersch hatte sich mit schwarzem Anzug und schwarzer Fliege schwer in Schale geworfen und begrüßte jeden einzelnen Zuschauer mit Handschlag. Er wollte es dem Publikum sichtlich leicht machen, seinen neuen Theaterleiter zu mögen. Dass er aber nicht seinen kompletten Spielplan mit Wort, Wein und Weib zu bestreiten gedenkt, verriet er dann ein paar Tage später. Ein Festival mit dem so schönen wie aktuellen Titel „Offene Welt“ hat Gersch ein wenig überraschend aus dem Bühnenboden gezaubert. Sechs Tage lang werden Ende Februar in Ludwigshafen deutsche und internationale Produktionen zum Thema Flucht und Migration zu sehen sein. Darunter sind hochkarätige Inszenierungen von den Münchner Kammerspielen und dem Wiener Burgtheater. Allein zehn Gastspiele aus den Bereichen Schauspiel und Performance gehören zum Programm, drei aus dem deutschsprachigen Raum, der Rest aus Thailand, Kuba, Kroatien, Rumänien und der Türkei. Dazu kommen Konzerte mit polnischer Elektro-Avantgarde und dem arabischen Popstar Sami Yusuf, eine Miniausgabe der Berliner Serbinale, Diskussionen, lokale Theaterprojekte und Partys. Dass dieses Festival solch thematische Dringlichkeit entwickeln würde, war natürlich nicht abzusehen, dass hier wichtige Gegenwartsfragen unserer Gesellschaft verhandelt würden aber schon. Elfriede Jelinek beschäftigt sich in „Das schweigende Mädchen“ mit dem NSU-Prozess und seiner wortlosen Angeklagten. Die Münchner Inszenierung stammt von Johan Simons. In Wolfram Lotzes „Die lächerliche Finsternis“, inszeniert von Dusan David Parizek fürs Burgtheater, geht es um deutsche Soldaten in Afghanistan und somalische Piraten, alles gespielt von Frauen. Was die Kinder der Erdbeerpflücker machen, während ihre Eltern als Wanderarbeiter in Deutschland sind, fragt die deutsch-rumänische Produktion „Erdbeerwaisen“. Das türkische Stück „Persona non grata“ dreht sich um die Ereignisse auf dem Tahrir-Platz in Kairo und im Istanbuler Gezi-Park. Das kroatische Stück „Aleksandra Zec“ erinnert daran, dass die Wunden des Balkankrieges noch nicht verheilt sind. Und der thailändische Performancekünstler Thanapol Virulhakul macht sich in seinem Heimatland auf die Suche nach einer nationalen Identität. Es wird bei „Offene Welt“ also nicht nur um die Frage gehen, wie Einwanderer und Flüchtlinge die deutsche Gesellschaft verändern, sondern auch um die Folgen in den Ländern, aus denen diese Menschen kommen. Das alles verspricht spannende Theatertage. Dem inzwischen recht überraschungsfreien Ludwigshafener Theaterangebot kann das nur guttun und einer Stadt, in der 140 Nationen leben und jedes zweite neugeborene Kind Migrationshintergrund hat, sowieso. Eine halbe Million Euro wird das alle zwei Jahre geplante Festival kosten, 80 Prozent kommen aus einem EU-Fördertopf, den der offenbar gut vernetzte Intendant aufgetan hat. Überregionale Beachtung dürfte dem Neuling unter den Theaterfestivals gewiss sein, und in Ludwigshafen hat Gersch ein erstes Ausrufezeichen gesetzt.