Kaiserslautern Natur- und Gesichtslandschaften
Vor einigen Jahren zeigte Norbert Weber im Homburger Saalbau seine „Rasterbilder“. So nannte er die großformatigen Aufnahmen von Gebäudefassaden, die er ohne ihren räumlichen Kontext abbildete. Kein Straßenzug, kein Himmel, keine Nachbarschaft. Stattdessen Details, Spiegelungen und kalkulierte Ausschnitte aus der Nähe.
Das macht eine etwaige Wiedererkennung unmöglich und lenkt den Blick auf die Strukturen und Muster von Betonplatten, Siebgittern, Glasdächern, Ziegelsteinen, Holzverkleidungen. Die moderne Architektur diene ihm „lediglich als Basis beeindruckend klangvoller Bilder“, wie 2014 die St. Ingberter Kunstwissenschaftlerin Brigitte Quack schrieb.
Im typisch verquasten Assoziationsstil ihres Berufsstands formulierte sie weiter: „In gekonnt kalkulierten Bildausschnitten fokussiert er (…) Beziehungsklänge, simultane Bildpläne und Abstandsvariationen der ästhetischen Elemente untereinander und zu den Bildrändern.“ Aha.
Für den bestmöglichen Klang – will sagen: die Komposition und Wirkungsweise – seiner großformatigen Architekturbilder greift Weber zuweilen auf Digitaltechnik zurück. „Mein Anliegen ist, in der Realität Bildklänge zu finden“, sagte er 2015 im RHEINPFALZ-Interview. „Die müssen natürlich rein dargeboten werden, deshalb brauche ich den Computer.“ Dennoch die Einschränkung: „Ich bin Fotograf, kein Computer-Freak.“
Neben Fassaden sind es Menschen, die Norbert Weber fotografiert. Der gebürtige Südpfälzer aus Queichhambach – im Hauptberuf Lehrer für Biologie, Chemie und Sport am Neunkirchener Steinwald-Gymnasium – entdeckte seine Liebe zur Lichtbildnerei als Mittzwanziger während einer Ungarnreise.
Beim gemeinsamen Blättern in seinem Buch „Menschenbilder“ zeigt er dem Besucher einige Tableaus, die während seiner autodidaktischen Anfangsjahre entstanden sind. Akte in der Natur, mal transparent und mal mehrfach belichtet, die Konturen durch Weichzeichnung sanft unscharf. „Die Abkehr vom statischen Realismus fotografischer Wirklichkeitsabbildung ist notwendig“, heißt es im Buch.
Norbert Weber bildet Bewegung und Perspektivwechsel ab, indem er ein Modell in verschiedenen Positionen ablichtet und diese Phasen anschließend auf einem Abzug vereint. Dem Fotografen, der Mitglied im Zweibrücker Kunstverein ist, kommt es auf die Komposition eines Bilds an. Schatten und Licht (-Einfall) seiner Schwarzweiß-Aufnahmen tragen ihren Teil dazu bei, dass sich der visuelle Eindruck dem „geistigen Auge“ des Betrachters annähert.
Diese Zwiespältigkeit versucht Norbert Weber sogar in Porträts abzubilden, in denen er „Gesichtslandschaften“ erblickt. „In der Porträtfotografie geht es um Existenzen“, sagt er. „Um diejenigen vor der Kamera wie auch um die Existenz der Menschen hinter der Kamera.“ Er zeigt Falten, Narben, Härchen in hartem Licht, unerbittlich und dennoch zuweilen irreal: „Ich will die Spuren festhalten, die das Schicksal im Gesicht der Menschen hinterlassen hat.“
Weder in den Natur- noch in den „Gesichtslandschaften“ geht es Weber um eine dokumentarische 1:1-Blaupause des Konkreten. Er lehnt es ab, „bei der Produktion eines Bilds die sichtbare Wirklichkeit interpretieren zu wollen“. Vielmehr strebt er eine Darstellungsweise an, die er „das autonome Bild“ nennt: „Ein Bild ist nicht mit der äußeren Wirklichkeit identisch. Es ist allenfalls eine Widerspiegelung dieser sichtbaren Wirklichkeit.“
Das hat so ähnlich schon Platon erkannt, dessen Höhlengleichnis in den Bildern von Norbert Weber seine Entsprechung findet.