Kaiserslautern Nach WM 2006: „Infrastruktur geschaffen“

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INTERVIEW: Was hat die Fußball-WM 2006 Kaiserslautern gebracht? Wie wirkt sich die Shopping-Mall „K in Lautern“ auf die Stadt aus? Diesen Fragen ist eine Forschergruppe am Lehrstuhl für Strategie, Innovation und Kooperation der TU nachgegangen. Andreas Sebald befragte dazu Timo Braun und Stefan Puderbach.

Herr Braun, Herr Puderbach. Hat die WM 2006 der Stadt etwas gebracht? Braun:

Es sind nachhaltige Verbesserungen zu finden. Ja. Anders gesagt: Bei den Olympischen Spielen in Sotschi oder Rio de Janeiro wurde viel Geld in die Infrastruktur gesteckt, entwickelt sich aber nun zu einer Altlast für die Region. Die Sportstätten werden nicht nur nicht genutzt, sondern kosten auch noch viel Geld. In Kaiserslautern ist es ein ganz anderes Bild. Hier wurde eine Infrastruktur geschaffen, die noch in Betrieb ist. Wir sprechen hier von einem Public Value, also einem Wert für die Allgemeinheit. Dieser Public Value ist also in Kaiserslautern durch die WM gestiegen? Puderbach: Ja. Der Hauptbahnhof wurde komplett erneuert. Er präsentiert sich heute deutlich freundlicher als vorher. Die Autobahn wurde ausgebaut, bei der A63 wurde die Lücke zwischen Sembach und Kaiserslautern geschlossen. Die Stausituation hat sich verbessert, zumindest zeitweise. Und: Kaiserslautern bekam die erste, integrierte Rettungsleitstelle in Rheinland-Pfalz, die Feuerwehr und die Rettungsdienste sind so bestens für die Zukunft gerüstet. Als Wirtschaftswissenschaftler interessieren Sie sich ja für Zahlen. Wie ist dieser Public Value messbar? Geht das? Braun: Bei Unternehmen ist das einfacher. Da schaut man sich einfach den Gewinn an, der erwirtschaftet wird. Das ist messbar. In der Wirtschaftswissenschaft heißt es: Zähl, was zählbar ist. Das ist bei der Fußball-WM schwierig. Bei „K in Lautern“ ist das einfacher. Durch die Shopping-Mall sind 600 Jobs entstanden. Das ist zählbar. Puderbach: Bei der WM sind auch neue Jobs entstanden. Wie viele davon nachhaltig waren, ist nur sehr schwer in Zahlen zu fassen. Die WM war also positiv … Puderbach: Alle Leute, mit denen wir gesprochen haben, hatten die positiven Auswirkungen für die Stadt und die Region vor Augen. Mit einer Einschränkung: Die Situation rund um den 1. FC Kaiserslautern und das Stadion und die damit verbundenen, finanziellen Belastungen für die Stadt. Das belastet den Stadthaushalt langfristig. Dessen ist sich die Stadt aber auch bewusst. Wie steht es beim „K in Lautern“ mit den Auswirkungen auf die Gesellschaft? Braun: Da kann man natürlich die Anzahl der Jobs messen. Was schwieriger ist: Die Kannibalisierung unter den Geschäften, also die Wechselwirkungen auf die Geschäftswelt. Wie wirkt sich das aus? Da kommt man schwer an Zahlen ran. Puderbach: Die Geschäfte in der Shopping-Mall sind zu einem hohen Prozentsatz neu in die Stadt gekommen. Aber: Das C&A in der Eisenbahnstraße steht leer und hat eine große Lücke hinterlassen, zudem ist Aldi umgezogen und nun in der Mall zu finden. Das sind direkte Auswirkungen. Allerdings sind durch die Mall das Karstadt-Gebäude und das dazu gehörige Areal aufgewertet worden. Die Mall hat sich zu einem Publikumsmagneten der Innenstadt entwickelt, der Bereich um die Mall wurde verkehrsberuhigt und es hat sich auch Gastronomie in der Peripherie angesiedelt. Sie haben die Eisenbahnstraße angesprochen. Können Sie dazu Empfehlungen abgeben? Was muss getan werden? Puderbach: Konkrete Handlungsempfehlungen sind schwierig. Es muss der Dialog zwischen den Verantwortlichen in der Eisenbahnstraße und der Stadt gesucht werden. Diese dürfen von der Stadtverwaltung nicht alleine gelassen werden. Das Citymanagement, das sich ja mit Stadtentwicklung befasst, wurde auch von dem Mall-Betreiber ECE finanziell mit mehreren hunderttausend Euro für Projektförderungen unterstützt. Damit müssen Bereiche der Stadt, wie die Eisenbahnstraße, gefördert werden. Fußball-WM, Einkaufsmall: Mit welchen Großprojekten haben Sie sich noch befasst? Braun: Das Militärkrankenhaus in Weilerbach. Allerdings sind Sie da schnell im militärischen Bereich, was es fast unmöglich macht, an Informationen zu kommen. Aber wir haben ja noch das Pfaff-Areal. Puderbach: Genau. Die Entwicklung des Pfaff-Areals ist ein Großprojekt von enormer Tragweite für die Region. Bisher hat sich noch nicht viel Public Value entwickelt, wir hoffen aber, dass wir das Projekt noch lange wissenschaftlich begleiten können. Wir sind bei allen Veranstaltungen dabei und verfolgen die Entwicklung ganz genau. Das Spannende bei dem Gelände ist die Tatsache, dass hier nicht nur ein Akteur aktiv ist, sondern ganz viele. Was empfehlen Sie in Sachen Pfaff? Wie bewerten Sie die Entwicklung? Puderbach: Ich habe einen positiven Eindruck. Das Gelände ist groß, liegt zentral und hat ein großes Potenzial für die Entwicklung der Stadt. Sicherlich ist es schwer, alle Akteure von einem gemeinsamen Weg zu überzeugen. Den kritischen Stimmen muss sich aber gestellt werden, um dann zu einer Einigung zu kommen und das Gelände komplett zu erschließen. Aus meiner Sicht ist es wünschenswert die Identität des Pfaff-Geländes zu erhalten, aber es ist schwierig, Gebäude zu erhalten, für die es keinen Investor gibt. Braun: Bei solchen Großprojekten die Bürger zu beteiligen, ist der absolut richtige Weg, wenn auch der schwierigere. Jedoch ist es besser, sich anfangs der Kritik zu stellen und eine Lösung zu finden als später, wenn das Projekt schon läuft. Hierbei kommt es sehr stark auf die dynamischen Fähigkeiten der beteiligten Organisationen an. Also wie flexibel diese auf Änderungen in ihrer Umwelt reagieren, etwa wenn Bürgerinitiativen oder andere Interessengruppen ins Spiel kommen. SÜDWEST |bld

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