Kaiserslautern „Muttimorgana“ auf dem Schillerplatz

Ein Moment ehrfürchtiger Ruhe kehrt ein im Sommercafé: So hohen Besuch hatte die RHEINPFALZ noch nie – Angela Merkel hält Hof. Ganz Kanzlerin, begrüßt sie ihre „Untertanen“ mit huldvoller Geste und nimmt Platz.

Auch auf ihrem Weg zum Schillerplatz konnte sich Kabarettistin Marina Tamàssy – sie verbirgt sich hinter der Maske der Kanzlerin – neugieriger Blicke nicht erwehren. Allzu „lebensecht“ kommt sie rüber, von der Föhnfrisur über die hängenden Mundwinkel bis hin zum typischen Vier-Knopf-Sakko. Da passiert es immer wieder mal, wie Tamàssy in waschecht verschwurbelter Merkel-Sprech berichtet, dass sie um ein Autogramm gebeten wird – allerdings ernsthaft als Kanzlerin. Genaue Studien stecken in der Rolle, Tamàssy registriert jedes Detail vom Gewichtsstand bis hin zu neuen Kleidungsstücken. „Früher musste ich immer zwei Skiwesten drunter ziehen, um ihre Leibesfülle hinzukriegen“, verrät die Kabarettistin, „da sie abgenommen hat, brauche ich jetzt nur noch eine.“ Die von Merkel bevorzugten Edelmarken wie Escada oder Windsor treibt sie im Netz auf: „Bei E-Bay schieße ich die Sakkos Second Hand“, über 50 Exemplare habe sie bereits im Fundus, Tendenz steigend. Bis sich die äußerst wandlungsfähige Tamàssy vor dem Schminkspiegel in die mächtigste Frau der Welt verwandelt hat und die „Muttimorgana“ (Tamàssy) perfekt ist, dauere es übrigens ziemlich genau eine Stunde. Der schwarz gekleidete Herr, der Merkel-Tamàssy an diesem Morgen eskortiert, ist allerdings kein Leibwächter. Auch er ist in der Stadt bestens bekannt, allerdings ganz real als Kabarettautor Wolfgang Marschall, Kopf der Gruppe Die Untiere, der neben Tamàssy Jungkabarettist Philipp Tulius und Pianist Edwin Schwehm-Herter angehören. Mittendrin stecken sie in einer sommerlichen Auftrittsserie am Vogelwoog; ein Sonderprogramm zum Antikriegstag am 1. September sowie ein Untier-Dinner-Abend am 30. August sind neben den monatlichen Ausgaben der Reihe „Da lacht man scharf!“ im Wirtshaus im Bahnheim ebenfalls in der Mache. Ob da nicht irgendwann der Stoff knapp wird? Marschall lacht: „Es passiert hier so viel, dass ich die Themen gut sortieren und auswählen muss!“ In der Sache Mall etwa treibt ihn derzeit um, dass „der Ex-tremdiscounter Primark als Leuchtturm verkauft wird“, trotz aller Skandalmeldungen um den irischen Textilkonzern. Seine Ausführungen unterbricht ein US-Flugzeug, das dicht über die Stadt hinweg donnert. Was Merkel-Tamàssy zu der spontanen Bemerkung veranlasst: „Ahhh! Unsere guten Freunde machen schon wieder ganz schön Lärm hier. Und das, obwohl ich mein Handy dabeihabe und sie doch ganz genau wissen müssten, dass ich gerade hier bin!“ (faro)

x