Kaiserslautern Musik ist Leben

Überraschen, erstaunen, begeistern: Das gelingt dem Orchester des Pfalztheaters mit seinem Generalmusikdirektor Uwe Sandner mit schöner Regelmäßigkeit. So auch diesmal wieder beim jüngsten Sinfoniekonzert in der Kaiserslauterer Fruchthalle – mit einem Programm, das dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg gewidmet war, und einer jungen Solistin aus den eigenen Reihen, der Cellistin Caroline Busser, die für eine glanzvolle musikalische Zukunft einsteht.

Stürmischer Schlussapplaus und Ovationen für die Solistin lassen keine Zweifel: Auch mit einer „klassischen Programmabfolge“ – Einleitungsstück, Solokonzert und nach der Pause die Sinfonie – kann das Publikum gewissermaßen „vom Sessel gerissen“ werden. Was Uwe Sandner und sein Orchester boten, lag in jeder Hinsicht weitab von Routine: Musik, entstanden im Umfeld des „Großen Krieges“, 100 Jahre später nur selten zu hören in den Konzertsälen. So packend und eindringlich interpretiert, als wolle man die Botschaft des Beinamens, den der Däne Carl Nielsen seiner vierten Sinfonie op. 29 gegeben hat – „Das Unauslöschliche“ – weit aus der Fruchthalle hinaus in die Welt klingen lassen. Das „Unauslöschliche“ ist das Leben selbst, und mit dem Leben die Musik, denn Musik ist Leben – und damit ebenso unauslöschlich. Davon, dass das Leben auch schmerzvoll ist, erzählt das zutiefst melancholische, 1916 entstandene Cellokonzert in e-Moll von Edward Elgar. Kein Virtuosenstück, sondern großes rhapsodisches Erinnern. Mehr als bei jedem anderen der bekannten Solokonzerte für das tiefe Streichinstrument genügt es deshalb nicht, die komponierten Töne in korrekten Ablauf zu bringen. Wer Elgar spielt, muss etwas zu sagen haben. Und Caroline Busser, 1983 geboren und seit 2013 Solocellistin am Pfalztheater, hat viel zu sagen, das ist schon nach den ersten fünf Takten, ja sogar schon nach den ersten beiden Akkorden zu hören. Sie lässt ihr Instrument deklamieren, erzählen, schreien und dann wieder wunderbar singen … und bedankt sich beim begeisterten Publikum im Dialog mit ihren Kollegen aus der Cellogruppe mit einem „Liebesgruß“, ebenfalls von Elgar, zärtlich, heiter, gelöst: das Leben diesmal in Dur statt in Moll. Ausgelöscht wurde das Leben des 1887 in Worms geborenen Rudi Stephan 1915 im fernen Galizien, geblieben ist von seinen Kompositionen auch die 1912 entstandene „Musik für Orchester“ mit ihren schroffen Kontrasten, außergewöhnlichen Klangkombinationen, scharfen Rhythmen, süffigem Melos, wegweisend in eine Zukunft, die für Rudi Stephan nicht stattgefunden hat. Eine Zukunft, von der auch Carl Nielsen nicht wusste, wie sie aussah angesichts einer Gegenwart, in der die Schlachten tobten – wie im vierten Satz seiner vierten Sinfonie, in der sich Pauken duellieren, Violinen grell und schmerzvoll aufschreien und sich sogar gegen das sonst so machtvolle Blech durchsetzen. Aber dann sind da auch wieder sanfte pastorale Holzbläser-Sätze, flirrende Naturklänge, aus der neues Leben zu erwachen scheint. Uwe Sandner hält dabei immer die Balance, führt mit sicherer Hand durch all die musikalischen Gegensätze. Und am Ende ist gewiss: Ja, Musik ist Leben.

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