Kaiserslautern Moderne Verse und tote Dichter
Lebendig kontra tot: Am Mittwochabend veranstaltete das Pfalztheater in Kooperation mit dem AStA der TU Kaiserslautern zum zweiten Mal einen Poetry Slam auf der Werkstattbühne. Unter dem Motto „Dead or Alive“ traten vier Schauspieler des Pfalztheater-Ensembles gegen vier Slampoeten aus der Region an.
Bereits im vergangen Juni erwies sich der erste Poetry Slam im Haus des Pfalztheaters als großer Erfolg. In dem literarischen Vortragswettbewerb, moderiert von Florian Faßnacht und Lena Konermann mit Victor Portnoy am Klavier, traten jeweils Theaterschauspieler mit Texten „toter“ Poeten gegen lebende Autoren aus der Slam-Szene an. Außer Konkurrenz eröffnete Schriftsteller, Regisseur und dreimaliger Gewinner der deutschen Meisterschaft im Poetry Slam Volker Strübing die Veranstaltung. Mit einer humorvollen Angler-Anekdote namens „Der Fischer und seine Katze oder Ironie des Schicksals“ legte er in Sachen lyrischer Finesse vor. Glücklicherweise hielt anschließend Richard Erben als erster Wettkämpfer und Vertreter des toten Dichters Friedrich Schiller einwandfrei mit. Er rezitierte sehr energisch Schillers Ballade „Der Taucher“ und glänzte mit großen Gefühlsausbrüchen. Alexander Geigers Eigendichtung „Brutal ehrlich“ überzeugte mit kompromisslosen Versen in erfrischend moderner Sprache, ehe Daniel Mutlu mit traditioneller Dichterkunst begeisterte: Er stimmte mit Heinrich Heines Parodie „Die Wahl-Esel“ wunderbar bissig auf die kommenden Kommunalwahlen ein und provozierte mit inbrünstiger Darbietung tosende Beifallsstürme im Publikum. Gleichermaßen bissig jedoch leicht deprimiert stellte Harald Geier zwölf Thesen auf, an denen man erkennt, dass das 30. Lebensjahr erreicht ist. Über das Alter machte sich Natalie Forester in der Rolle als amerikanische Autorin Dorothy Parker weniger Sorgen. Bei ihrer Lesung „Aus einem Tagebuch einer New Yorker Lady“ drehte sich alles um den Klatsch und Tratsch der oberen Gesellschaft, den sie in einem unaufhaltsamen Redeschwall offenbarte. Louisa Mosemann appellierte in „Der Wille zur Freiheit“ an das Freiheitsbedürfnis des Menschen. Rainer Furch kramte mit „Herr Korbes“, „Wie Kinder Schlachtens miteinander gespielt haben“ und „Die wunderliche Gasterei“ in den düsteren Kapiteln der Grimm’schen Schreckmärchen. Den Abschluss des Wettstreits bestritt Manfred Dechert, der mit vier genialen Erzeugnissen amüsierte und verstörte: als mechanischer „Poetry Slam-Navigator“, als mordlustiger Torwart in der „Der Fußball-Mörder“, als verzweifelter Liebender in „Den Blick bei mir“ und als Kritiker der Worthoheit durch „Irgendwann“. Per Publikumsabstimmung wurde auf der Seite der toten Dichter Daniel Mutlu und auf der Seite der lebenden Poeten Louisa Mosemann ins Finale gewählt. Nach einer zweiten grandiosen Lyrik von Strübing („Die Krone der Schöpfung ist vielleicht nur die Duschhaube der Revolution“) traten die Finalisten zum Zweikampf an – Mutlu mit „Junge Leiden“ aus Heines „Buch der Lieder“ und Mosemann mit der Poesie „Das Selbst und der Mut“. Diplomatisches Urteil des Publikums: Die Dichter-Krone ging an beide.