Ausprobiert Mit Stockeinsatz zum Steinbruch

Abmarsch am Stadion in Otterberg. Es geht gleich mal leicht bergauf.
Abmarsch am Stadion in Otterberg. Es geht gleich mal leicht bergauf.

Von wegen Seniorensport: Nordic Walking ist nicht so einfach, wie es aussieht, hat RHEINPFALZ-Redakteurin Maria Huber festgestellt, die Stöcke bisher nur vom Skifahren und Wandern kannte. Sie hat sich mit der Nordic-Walking-Gruppe in Otterberg auf den Weg gemacht und dabei einige Überraschungen erlebt und viel gelernt.

Nordic Walking? Ich muss zugeben: Bisher war ich auch eine von denen, die milde gelächelt hat, wenn andere erzählt haben, was das für ein toller Sport ist, dass sie das gern machen, dass sie damit was für ihre Gesundheit tun. Ich habe nie verstanden, warum man Stöcke braucht, wenn man auf gerader Strecke im Wald unterwegs ist, wo man doch beim Joggen auch die Arme bewegt und schneller unterwegs ist. Doch dann kam die nette Einladung von Trygve Haag. Er erzählte von seiner Nordic-Walking-Gruppe in Otterberg, schlug vor, ich könne einfach mal mitlaufen und seinen Sport kennenlernen. Neugierig bin ich ja schon und immer bereit, was Neues auszuprobieren. Also sagte ich zu, und jetzt stehe ich da auf dem Parkplatz am Schwimmbad und habe keine Ahnung, was mich erwartet.

Die Temperaturen liegen knapp über dem Gefrierpunkt, es ist feucht, am Waldrand liegt noch ein bisschen Schnee. Ich streife mir die Mütze und die Handschuhe über und warte, ob die Gruppe, die angeblich bei jedem Wetter loszieht, tatsächlich kommt. Pünktlich wie vereinbart fährt ein Auto vor und Trygve Haag steigt aus. „Frau Huber?“ „Ja, ich glaube wir haben ein Date“, begrüße ich ihn und wir einigen uns schnell auf das übliche „Du“ unter Sportkameraden. „Ich habe ein paar Stöcke dabei“, erklärt er, während ich ihn zu seinem Auto begleite, damit er mir wie versprochen eine kurze Einweisung geben kann, bevor der Rest der Gruppe vorfährt, der das alles schon längst verinnerlicht hat.

Die Sache mit den Hexen„Die Hexen haben heute einen Ausflug“, erklärt er und fügt an, dass das von Vorteil für mich sein dürfte. Er klärt mich schließlich auf, als ich ihn ratlos anschaue: Die Hexen sind eine Gruppe Frauen, die in der Fasnacht aktiv sind, einige der Nordic Walker sind da dabei und deswegen heute nicht da – und damit fehlen genau die Frauen, die sonst richtig Tempo machen. Ich atme erleichtert auf. Das mit dem Tempo war nämlich was, worüber ich mir im Vorfeld schon ein paar Gedanken gemacht habe. „Wir sind ungefähr eineinhalb Stunden unterwegs und laufen einen Schnitt von etwa 5 km/h“, hatte Haag im Vorfeld erzählt. Also schnelles Wandertempo, mit erschwerten Bedingungen und Koordinationsarbeit ...

Die richtige Größe

Mein 71-jähriger Instructor holt gerade zwei Stöcke aus dem Auto und erklärt: „Die müssten passen. Das sind die meiner Frau. Sie hat etwa dieselbe Größe“, sagt er und rechnet vor, dass der Stock etwa so lang sein sollte wie zwei Drittel der Körpergröße. Der Lehrer stellt mein vorübergehendes Arbeitsgerät vor mir auf und erklärt, dass das Ellenbogengelenk, wenn es den Stock hält, ungefähr einen rechten Winkel bilden soll. „Passt“, meint er und lenkt meinen Blick auf die schwarze Schlaufe am Stock. „Schau mal, ob da rechts oder links drinsteht.“ Es ist die linke. Ich nehme sie in die entsprechende Hand. „Jetzt von unten durchfahren, die Hand auflegen.“ Ich folge. Und Haag schließt den Klettverschluss über dem Handgelenk.

„So, jetzt gehen wir mal ganz normal, ohne auf die Stöcke zu achten.“ Er schreitet über den Parkplatz, ich neben ihm her, die Stöcke hängen wie zwei Fremdkörper am Handgelenk und schleifen am Boden, wie der Übungsleiter es vormacht. „Die Arme schwingen locker mit“, sagt er, und dann grinst er. „Du denkst zu viel.“ Woher weiß er das nur? „Stimmt“, muss ich zugeben. Und er erklärt warum: „Du fällst in den Passgang.“ Ich verstehe nur Bahnhof. Bis er mir vormacht, was er meint. Passgang sei die unnatürliche Gangart, bei der zum Beispiel die linke Hand und der linke Fuß gleichzeitig vorne sind. „Manche laufen tatsächlich so.“ Der natürliche Gang, der beim Nordic Walking angestrebt werde, sei genau umgekehrt, also linker Fuß vorne, rechte Hand vorne und umgekehrt.

Ich versuche mal nichts zu denken, und es klappt tatsächlich: Plötzlich ist die richtige Hand vorne und der Stock damit automatisch auch. „Und jetzt ziehen wir den Stock aktiv nach vorne, stechen ihn vor uns ein, gehen nach vorn und lösen die Hand vom Griff. Das ist wie bei der Wadenpumpe“, erklärt Trygve Haag den Unterschied zum Wandern mit Dauergriff am Stock oder zum Skifahren. „Das fördert die Durchblutung“, fügt er an.

Der Parkplatz füllt sich

Ich laufe ein paar Runden auf dem Parkplatz, auf den jetzt ein Auto nach dem anderen rollt. Fröhliche Menschen steigen aus, beäugen mich neugierig und begrüßen sich freudig. „Ich habe ihnen nicht gesagt, wer kommt, nur dass jemand kommt“, erklärt der Instructor mit einem Augenzwinkern und stellt mich vor. Die Gruppe nimmt mich sofort herzlich auf, und schon stehe ich mittendrin im Kreis und mache mit bei den Aufwärm- und Dehnübungen mit den Stöcken.

Nach wenigen Minuten geht es los Richtung Wald. Die Ersten stapfen voran, ich bleibe hinten und an der Seite des Lehrers, damit er mich korrigieren kann. „Das sieht schon nicht so schlecht aus“, meint er, während ich versuche, alles richtig zu machen, aber mich nicht zu sehr zu konzentrieren, damit ich nicht in den Passgang falle. Gar nicht so einfach. Noch dazu, wo es gleich ein bisschen bergauf geht. Haag versucht mich abzulenken, indem er mit mir plaudert, und ich versuche, mehr über seine Gruppe und über ihn zu erfahren. Zu elft sind wir heute. „Normalerweise sind wir dienstags immer 14, 15 und freitags drei bis sieben“, erzählt Haag, der Vorsitzender des TV Otterberg und in vielen Bereichen engagiert ist. Fußball, Tennis, Volleyball, Gymnastik, viel hat er schon selbst betrieben, ist – mal abgesehen vom Wochenende, das der Familie gehört – fast jeden Tag sportlich engagiert beziehungsweise als Übungsleiter im Einsatz.

Mit Sport zurückgekämpft

Ich will wissen, wie er zum Nordic Walking kam. Er erzählt von einer schweren Oberschenkelverletzung, die ihn lange ausbremste und wie sich in dem Zusammenhang herausstellte, dass er Gicht hat. Wie er versuchte, sich mit Sport wieder heranzukämpfen, dass er jetzt mit Hilfe von Medikamenten das Thema Gicht im Griff hat und dass im Nordic Walking dabei geholfen hat.

Sich fit zu halten ist auch das Ziel, das alle in der Gruppe verfolgen. Dass sie sich zusammenfanden, geht auf einen Teilnehmer zurück, der nach seinem Nordic-Walking-Kurs, den er in der Reha hatte, weitermachen wollte und auf den Übungsleiter aus Otterberg zukam. Inzwischen hat sich ein buntes Grüppchen zusammengefunden, das regelmäßig unterwegs ist, im Alter von 63 bis 76 Jahren, darunter viele Ehepaare, eine Teilnehmerin aus dem Seniorenheim. Sie halten über eine WhatsApp-Gruppe Kontakt, laufen immer wieder unterschiedliche Strecken. Damit der private Verbund Versicherungsschutz hat, hat er sich der Landesinitiative „Land in Bewegung“ angeschlossen und ist damit abgesichert.

Heute geht es zum Steinbruch, weil ich den noch nicht kenne und die Laufgemeinschaft da ohnehin gern hingeht. Das mit den Stöcken läuft inzwischen fast automatisch. „Du musst nur drauf achten, dass Du die Arme mehr streckst beim nach vorne gehen“, erklärt der ehemalige Gymnasiallehrer, der trotz naturwissenschaftlicher Fächerkombination aushilfsweise schon viele Sportstunden gegeben hat. Der Weg wird steiler und ich merke, wie mein Puls hochgeht. Von den Senioren schwächelt keiner. Ich ziehe in Gedanken den Hut und fühle mich wohl in dem Kreis, in dem alle glücklich und fröhlich sind.

Ortskunde gibt’s gratis

Ich erfahre viel auf der Tour. Über das Verhältnis der Otterbacher und Otterberger, warum die Otterberger die Krakauer genannt werden, was es mit dem alten Steinbruch auf sich hat, warum ihn die Kletterer als Übungsgelände abgelehnt haben. „Sie haben ihn nur gesehen, als er noch zugewuchert war.“

Zwei der Teilnehmer laufen ohne Stöcke. Der eine, weil der Arzt ihm aus gesundheitlichen Gründen davon abgeraten hat, der andere, weil er nicht ganz verstehen kann, was mit Stöcken anders ist als ohne.

Ich denke nach und frage meinen Körper. Der macht das mit der Armbewegung inzwischen automatisch. Bergauf fühlt es sich mit den Stöcken an wie Skilanglauf und sonst ein bisschen wie Kraftsport mit leichten Hanteln. Das Tempo ist flott, aber angenehm. Die Verspannung in meinem Rücken ist weg. Ich glaube, ich muss da was klarstellen: Die Gruppe ist topfit, Nordic Walking ist tatsächlich Sport, nicht nur für Senioren. Ich bin aber trotzdem froh, dass die Hexen nicht dabei waren, denn so viel schneller hätte ich gar nicht laufen können ...

Aufwärmübungen auf dem Parkplatz.
Aufwärmübungen auf dem Parkplatz.
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