Kaiserslautern Marke statt Individuum

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Pop Up! heißt die neue Ausstellung im Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum mit „Bild-Ikonen der 60er und 70er Jahre“. Die über 110 Druckgrafiken und Multiples von rund 40 englischen, amerikanischen und deutschen Künstlern kommen aus den reichen Beständen der Sammlung des Düsseldorfer Rechtsanwaltes Heinz Beck, die sich einmal als qualitätvolle Fundgrube für Höhepunkte der Pop Art erweist.

Pop Art sieht in die Welt hinaus! Roy Lichtensteins kecken Satz kann man gar nicht oft genug zitieren. Der Mann hatte recht, und er wusste, von was er redete. Pop Art, das ist (auch) ein neuer Blick auf eine medial veränderte Welt, ist Reaktion auf industrielle Massenfertigung und die Werbesprachen der Medien, die sie mit ihren eigenen Waffen schlägt: als da sind banale Motive, massenhafte Verbreitung, Überbietung, und das nicht selten mit einem ziemlich kruden Humor. Dass man mit in unendlichen Serien reproduzierbaren Techniken wie Lithographie und Siebdruck auch ein weniger solventes und kunstaffines Publikum erreichen wollte, war allerdings eine gloriose Fehleinschätzung: Grafiken von Warhol oder Gerhard Richter sind nicht eben billig – ein wohl erwartbarer Kollateralschaden des Kunstmarktes. Gerhard Richter? Ja, der auch. Für eine kurze Zeit wenigstens dabei beim großen Aufbruch in die Welt der globalen Käuflichkeit. Elizabeth II. und Mao waren ihm Mitte der Sechziger zwei verschwommene Offsetlithos wert. Die hängen jetzt in der ersten, „Faces“ (Gesichter) überschriebenen Abteilung der Ausstellung als Beispiele dafür, wie die Konsumkultur bestimmte Personen zum Teil des öffentlichen Gedächtnisses stilisiert, ohne dass jemand dem widerspricht. Die Marke löst das Individuum ab. Warhols in sechs Farbvarianten präsenter Marylin Monroe-Siebdruck führt da einen krachenden Beweis. Dass der Künstler darüber selbst über ausgebuffte Selbstvermarktungsstrategien zur Marke wurde, liegt in der Natur der Sache. Eine Campbell’s Suppendose und eine grüne Kuh ist problemlos als „Warhol“ zu erkennen, ein Roy Lichtenstein an seinen „Dots“ (Rasterpunkten), Mel Ramos an seinen Kombinationen von Pin Up Girls mit alltäglich-banalen Konsumartikeln, Tom Wesselman an isolierten weiblichen Körperteilen und angeschnittenen Badezimmer-Intérieurs. Undsoweiter: Eigentlich müsste, sollte man die gut ausgewählte und kommentierte Auswahl Kapitel für Kapitel in Augenschein nehmen, aber eine eigene Laufrichtung einzuschlagen, ist ebenso gut; spannende Sächelchen finden sich an jeder Ecke. Dabei sollte freilich nicht vergessen werden, dass die Pop Art nicht in den USA „erfunden“ wurde, sondern Mitte der Fünfzigerjahre in London, wofür die collagierten Blätter des unvergleichlichen, aber weniger marktschreierisch argumentierenden Richard Hamilton stehen. Es gab durchaus auch eine deutsche Variante – sie wurde vor nicht allzu langer Zeit in einer Ausstellung der Frankfurter Schirn Kunsthalle aufgearbeitet. Mit Wolf Vostells Lippenstiftbomber, Thomas Bayrles aus Rabattmarken akribisch gefügtem „Glücksklee“-Siebdruck und Klaus Staecks Coca Cola und Mondlandung in eins setzendem Siebdruck war der Sammler Heinz Beck in jedem Fall auf der richtigen Seite. Nun täte man den Künstlern der Pop Art bitteres Unrecht, wenn man die kritischen, wenn auch systemkonform an den Bildern medial aufbereiteter Großereignisse erarbeiteten Einlassungen zu den Katastrophen der Zeit hinten herunterfallen ließe. Der Vietnam-Krieg, immerhin der erste, dessen Bilder sozusagen ohne Filter im Fernsehen gezeigt werden konnten, lieferte unendlich beleihbares Material für künstlerische „Bearbeitungen“, die sich (viel zu) leicht zu politischen Werkzeugen ummünzen ließen. „CRAK! Now mes petits pour la France!“ steht auf einem Blatt von Roy Lichtenstein, das eine comicartig aufbereitete Schützin mit roter Jakobinermütze zeigt. Das „C“ ist so zweideutig geschrieben, dass man auch „IRAK“ lesen könnte. Heißt, man sollte die Bildgenerierungsstrategien der Pop-Artisten auf keinen Fall unterschätzen. Die Ausstellung Wilhelm-Hack-Museum, bis 15. Januar 2017, Eröffnung heute mit Familien-Vernissage heute ab 14 Uhr, geöffnet dienstags, mittwochs, freitags 11-18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, samstags, sonntags 10 - 18 Uhr.

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