Kaiserslautern Lyrik, Lautmalerei und allerlei lustige Geschichten

Warum es am Rhein so schön ist? Auf der so vielschichtigen Suche nach einer Antwort bereitete die Wahl-Kölnerin und Rhein-Anrain
Warum es am Rhein so schön ist? Auf der so vielschichtigen Suche nach einer Antwort bereitete die Wahl-Kölnerin und Rhein-Anrainerin Elke Heidenreich ihrem Publikum zwei unterhaltsame Stunden.

Der längste Tag des Literaturfestivals wartete mit einer ganzen Reihe an Autoren auf, die mit ihren literarischen Werken am Samstag an gleich mehreren Schauplätzen amüsierten, begeisterten und hin und wieder sogar überraschten. Neben Büchner-Preisträger Jan Wagner lockten die Lauterer Aktrice und Autorin Barbara Seeliger und drei Autoren der Pfälzer „Chaussee“-Zeitschrift in die Lese-Säle.

Der Samstag war tatsächlich vollgepackt mit Literatur. Für 11 Uhr bereits lud die Pfalzbibliothek zu einer Dreifach-Lesung mit Autoren, die in der aktuellen Ausgabe der „Chaussee“- Zeitschrift für Literatur und Kultur der Pfalz zu finden sind. Die 42. Ausgabe widmet sich der Thematik „Heimat“ - nicht ganz zufällig, wohlgemerkt. Denn „Heimat(en)“ lautet in diesem Jahr auch das Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz. Helga Schneider, Birgit Heid und Andreas Fillibeck setzten sich auf ihre ganz eigene Art und Weise mit dem Begriff „Heimat“ auseinander. Birgit Heid, Vorsitzende des literarischen Vereins der Pfalz, seit 1996 in Landau ansässig, führte mit einem „poetischen Potpourri“ – zwischen traditioneller Lyrik und japanischer Haiku-Form – ins Thema ein. In „Heimatbesuch“ ließ die Autorin sich und ihre Zuhörer zurückreisen ins Kind-Sein, umgeben von „vertrauten Fensterfronten“, „alten Bordsteinkanten aus Granit“ und „Efeu an Häusermauern“. Der Satiriker und Journalist Andreas Fillibeck überforderte die Hirnsynapsen mit seiner dreiteiligen Anekdote über den „Heimatautomat“. Der Begriff „Heimat“ sei, so der Autor, für ihn und seine Generation „äußerst schwierig“ angesichts der Gräueltaten zur Zeit Nazi-Deutschlands. Dennoch entführte Fillibeck das Publikum im Schleudergang in eine Welt zwischen Wandergruppen des Pfälzerwaldvereins, Leberknödel und Blasmusik und einer Wagenladung „volltrunkener Rentner mit hypertonischer Gesichtsfarbe“, die grölen: „Do werd die Wutz geschlacht`, do werd die Worscht gemacht“. Kurz auch: die Pfälzer Heimat. Helga Schneider, ehemalige Grundschullehrerin und Mundartdichterin, hat ihre Kaiserslauterer Heimat in mundart-poetischen Geschichten verarbeitet. In einer stellt sie sich die Frage, warum sie das Wort Heimat immer nur „uff Hochdeitsch gehört han, nie uff Pälzisch“. Weg von heimatlichen Begegnungen führte das Programm am späteren Nachmittag in die weite Welt des klassischen Orchesters. Es wurde musikalisch und amüsant im Theodor-Zink-Museum. Pfalztheater-Aktrice und Autorin Barbara Seeliger war optisch vom Glatzkopf bis zum hellblauen Kragen unterm dunkelblauen Pullunder ihrem Kollegen Tobie Bastian am Kontrabass nachempfunden – der zu visuellen Verwirrung der Gäste auch noch gleich daneben saß. Um ihn geht es schließlich in Patrick Süskinds Einakter „Der Kontrabass“ – beziehungsweise um das fundamentalste Orchesterinstrument, das trotz seiner „Durchschlagskraft“ und erhabener Tiefe vom Publikum oft verkannt wird. Seeliger rezitierte Süskinds Monolog eines alternden Staatsorchester-Kontrabassisten, der in seinem schallisolierten Musikzimmer, völlig abgeschottet von der Außenwelt, dem Publikum einen empathischen Vortrag über die Vorzüge seines Instruments hält. Der namenlose Kontrabassist liebt sein Instrument, aber er hasst seinen Beruf und die „erheblich überschätzten Dirigenten“. Seine einzigen positiven Gefühle gelten der jungen Sopranistin Sarah, die er aus dem Verborgenen fast lüstern anhimmelt und verehrt, wie Seeliger beschrieb. Bastian stimmte zwischen den Lesepassagen hingebungsvoll einige Beispiele aus der Musikliteratur an, darunter Brahms 2. Sinfonie, Richard Wagners Vorspiel zur „Walküre“ und Schuberts Klavierquintett in A-Dur. Musikalische Akzente gab es dann am Abend auch im Emmerich-Smola-Saal des SWR-Studios. Dort wartete eine Dreifach-Lesung auf die Besucher – mit dem Darmstädter Science-Slam-Erfinder Alex Dreppec, mit der „onomatopoetischen“ Dada-Dichterin aus Kaiserslautern, Eva Paula Pick, und dem derzeit bekanntesten deutschen Vertreter moderner Lyrik, Jan Wagner (wir berichteten über den Büchner-Preisträger). Den musikalischen Rahmen gestaltete das Ehepaar Mon Mari Et Moi alias Shakti (Gesang) und Mathias (Gitarre) Paqué mit keck-verspielten Chansons. Alex Dreppec stellte sprachlich gewiefte Gedichte über den „glücklicherweise kurzen Joga-Fimmel“ seiner Frau („Joga-GaGa“) oder über die griechische Liebes-„Granate“ Aphrodite vor. Dreppec spielte mit den Wortlauten, reihte eine Alliteration nach der anderen in seine Satz-Gefüge, baute regelrechte Wort-Wolkenkratzer in den Himmel und mündete oft in fast infantile Reime („Aphrodite du Granate, heb` deine Stute, meine Gute“) oder Schimpf-Tiraden ohne weiche Konsonanten („Tu Tummpeutel, tu Plöter!“) – alles mit viel lyrischem Charme. Das gilt auch für Eva Paula Picks dadaistische Sprengungen klassischer Dichtkunst-Rahmen. Was sie dabei in enormer Geschwindigkeit an kurios-sinnhaften Lauten zustande brachte, war bemerkenswert – wenn auch für das ein oder andere klassisch justierte Gehör wohl etwas befremdlich.

Süskinds Kammerstück mit Streichinstrument: Eine Lesung aus „Der Kontrabass“ präsentierten Tobie Bastian (links) und Barbara See
Süskinds Kammerstück mit Streichinstrument: Eine Lesung aus »Der Kontrabass« präsentierten Tobie Bastian (links) und Barbara Seeliger.
Widmeten sich dem Aspekt Heimat in der Literatur: Andreas Fillibeck, Birgit Heid (Mitte) und Helga Schneider.
Widmeten sich dem Aspekt Heimat in der Literatur: Andreas Fillibeck, Birgit Heid (Mitte) und Helga Schneider.
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