Kaiserslautern Lesetipps dreier Lauterer Buchhändler von der Frankfurter Messe

 Petra Dressing von der Thalia-Buchhandlung stellt drei auf der Buchmesse hochgelobte Werke vor.
Petra Dressing von der Thalia-Buchhandlung stellt drei auf der Buchmesse hochgelobte Werke vor.

Die 74. Frankfurter Buchmesse ist vorbei. Und wieder wurde jede Menge Lesestoff für den Herbst vorgestellt. Drei Buchhändler der Stadt – von Petra Dressing vom Thalia, Morphy Burkhart von der „Blauen Blume“ und Alexandra Michels vom Uni-Buch – haben sich drei persönliche Favoriten rausgesucht und stellen sie vor.

Selbst auf der Buchmesse waren die drei Buchhändler auch in diesem Jahr nicht – aus Sicherheitsgründen. Doch anhand der vielen Neuveröffentlichungen lasen alle ein Grundthema heraus. Und das hat viel politisches Kolorit: Viele Bücher drehten sich um Themen wie Herkunft, Armut, Auswanderung und Andersartigkeit. Und so fiel auch die persönliche Auswahl der Literatur-Experten auf das ein oder andere politisch behaftete Werk.

Thalia: Von Bodyshaming in den 1980ern bis Corona

Petra Dressing, Leiterin der Belletristik-Abteilung der Thalia-Buchhandlung, hat sich drei der hochgelobtesten Veröffentlichungen der Messe ausgesucht. Ihr erster Tipp: Der autobiografische Roman „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher. Die Geschichte über eine Familie aus dem Hunsrück, in der das (vermeintliche) Übergewicht der Mutter das größte Thema ist, war für den Buchpreis nominiert. Dafür hat es zwar nicht gereicht, doch für Dressing ist es eines der spannendsten Werke des Jahres.

Die Handlung spielt im Westdeutschland der 1980er Jahre und wird erzählt aus der Perspektive der kleinen Tochter, die nicht verstehen kann, warum sich alle so über das Gewicht ihrer Mutter aufregen. Der Vater macht sogar seinen beruflichen Auf- und Abstieg am Gewicht seiner Frau fest. Mit der Zeit wird klar, was dahinter steckt. Eine humorvolle, krasse und lesenswerte Geschichte zwischen Bodyshaming und Emanzipation, bei dem man „nicht glauben kann, dass Frauen in den 80er Jahren so behandelt wurden und sich haben behandeln lassen“, betont Dressing.

Der zweite Tipp: Ian McEwans „Lektionen“, über das Leben eines Mannes von der Nachkriegszeit bis zu Corona, zwischen England und Deutschland, Missbrauch und Verlust. Und als Drittes empfiehlt Dressing das neuste Werk der US-amerikanischen Schriftstellerin Celeste Ng namens „Unsere verschwundenen Herzen“, das von einem Amerika in der nahen Zukunft erzählt. Einer Zukunft, in der China zur Weltmacht und Amerika wirtschaftlich ausgehungert wird. Das Ergebnis: Asiaten, die in Amerika leben, werden diskriminiert, kriminalisiert und bei Vergehen werden ihnen die Kinder weggenommen. Jahre später beginnt ein Sohn seine Mutter zu suchen, während Gewalt und Revolution im Land wüten. Eine „spannende und berührende“ Reise, wirbt Dressing.

Uni-Buch: Von Kaminfeuergeschichten bis Ukraine

Alexandra Michels, Leiterin der Uni-Buchhandlung, hat sich bei ihrer Auswahl abseits der Bestseller-Listen umgeschaut. Und fand den Jugendroman „Fireside Mysteries“ von Kate Milford. „Es ist spannend, stellenweise unheimlich und macht Jugendlichen wie Erwachsenen Spaß“, so Michels. Im Zentrum steht eine Gruppe Reisender, die sich in einer regnerischen Nacht in einer Dorfschänke kennenlernen und sich gegenseitig am Kaminfeuer Geschichten erzählen – reale und abenteuerliche. Und mit jeder neuen Geschichte, treten mehr persönliche Geheimnisse ans Tageslicht.

Das zweite Buch ist ein ausgefallener Roman namens „Der Rote Diamant“ vom Schweizer Autor Thomas Hürlimann. „Eine Klosterinternatsgeschichte in den 1960er Jahren, die zu einer kriminalistischen Schatzsuche wird“, wirbt Michels. „Literarisch genial, eine Wonne und macht Spaß.“ Und als Abrundung empfiehlt die Buch-Expertin einen „abgedrehten und unüblichen Krimi“ vom ukrainischen Autor Andrej Kurkow: „Samson und Nadjeschda“. Die Handlung spielt 1919, kurz nach der Ermordung der russischen Zarenfamilie. Ein junger Mann und sein Vater werden auf einer Dorfstraße von Rotarmisten überfallen – der Vater stirbt, der junge Mann verliert ein Ohr, das er später nutzt, um die Rotarmisten bei ihren Plänen zu belauschen. „Kein Fantasy-Buch, auch wenn es jetzt so klingt, sondern eher ein metaphorisches Buch.“

„Blaue Blume“: Vom trotteligen Schriftsteller bis zum 18. Jahrhundert

Von Metaphern und historischen Akzenten quellen auch die drei Empfehlungen des „Blaue Blume“-Chefs Morphy Burkhart über. Er beginnt mit dem Titel „Trottel“ des deutsch-tschechischen Autors Jan Faktor, das in diesem Jahr auf der „Shortlist“ des Deutschen Buchpreises stand. Ein autobiografisches Buch um einen „trotteligen tschechischen Schriftsteller“ mitten im „sozialistischen Ostblock-Leben zwischen Prag und Ost-Berlin“ („Münchener Merkur“) und zwischen Liebe und beruflicher Leidenschaft. „Unheimlich witzig, sehr literarisch, experimentell und fordernd. Keine Unterhaltungsliteratur, aber für mich eines des besten deutschsprachigen Bücher des Jahres“, urteilt Burkhart. Weiter geht es mit Miqui Oteros „Simón“, über einen jungen Koch aus Barcelona, dessen Leben sich in einen historischen Abenteuerroman verwandelt – inklusive einer magischen Romanze und eines spurlos verschwundenen Cousins. „Ein postmoderner Coming-of-Age-Roman“ mit vielen unterschwelligen Anleihen aus der spanischen (Literatur-)Geschichte.

Das dritte Werk auf Burkharts Empfehlungsliste ist ein Buch über eine ganz besondere Revolution Ende der 1790er Jahre in der Universitätsstadt Jena – eine Revolution des Geistes. Andrea Wulfs „Fabelhafte Rebellen: Die frühen Romantiker und die Erfindung des Ich“ erzählt von einer Gruppe junger Denker, die in Zeiten des Umbruchs unser Denken für immer verändern sollten. „Man kann es lesen wie einen Roman, gleichzeitig hat es aber auch viele Anmerkungen und Zitatnachweise. Wulf arbeitet sehr, sehr gründlich und begeistert für das, was sie macht. So stelle ich mir Kulturgeschichte vor.“

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