Kaiserslautern Konfrontation im Kirchenraum

Ein Bett für Fakire: Arbeit von Wei Shen in der Stiftskirche.
Ein Bett für Fakire: Arbeit von Wei Shen in der Stiftskirche.

Die Feierlichkeiten rund um 200 Jahre Kirchenunion sind vorbei. Das Motto „Mutig voran“ bleibt. Etwa als Nachgang einer Ausstellung in der Stiftskirche mit dem Titel „Materiale Verwandlung Teil II“, die aus fünf Arbeiten junger Studenten der Hochschule Koblenz im Fachbereich Künstlerische Keramik und Glas (Höhr-Grenzhausen) besteht. Es geht dabei um einen Dialog eines Raumkonzeptes mit der religiösen Dimension dieses Gotteshauses. Eindrücke eines Rundganges mit Kuratorin Birgit Weindl.

Die Kirchentür geht auf, und der Besucher schaut geradewegs auf ein hochformatiges Video. Er stutzt, hält inne, wartet – auf den Sinn, was Hände mit Zahnpasta im Waschbecken bedeuten, was in der Frau vor dem Kleiderschrank vorgeht, was Haushaltsarbeit in einer Kirche sucht. „My Home“ übertitelt Marian Aazar banale Alltäglichkeiten, hier jedoch mit bizarren Auswüchsen. Fragen stellen sich. Etwa: Können wir alles, also das Eigene und das Allgemeine, vor aller Augen in Glaubenswelten präsentieren? Wenige Schritte weiter, im Mittelgang der Bestuhlung, baumelt ein schwarzer Kopfhörer in Augenhöhe. Lotgerecht darunter ein Kreidekreis auf dem Steinboden. Dieser korrespondiert mit dem Pfingstloch ganz oben und formuliert so eine vertikale Räumlichkeit. „Der Geruch der Freiheit“ nennt die Künstlerin Lena Trost diese Audioinstallation. Kaum erkennbar, stößt sich womöglich der Kirchgänger. Und erlebt hörbare Begriffe, die Impulse geben Gerüche zu erinnern und zu verorten, etwa in der Natur. In den Nischen entlang der Kirchenwand lagern kugelige Glasgefäße. Die Arbeit reiht 45 Heilpflanzen und Kräuter aneinander in farbigen Extrakten. Eine Idee von Tonia Fee Graß aufkommen und ein spontan zugängliches Kunstwerk. Auch Saskia Kaisers Arbeit „Seraphim“ in der Unionskapelle birgt direkte Assoziationen: Ein schwarzes Gestell, bestückt mit drei Monitoren, die das chorische Engelthema des Propheten Jesaja mit sechs Flügeln materialisiert transportieren: Je zwei bedecken Füße, Körper und Antlitz, während ein großformatiges Lippenpaar die Lobeshymne „Holy, Holy“ formt. Hier geht es um Licht und Liebe, um Verbergen, Offenbaren. Krasser kontrovers erleben Betrachter „Das Bett“ im Altarraum. Wei Shen gestaltete aus Keramik, Glasur und einem Kissen eine spießig-spitze Ebene, in der jenes Kissen unerreichbar bleibt. Dieses Bett erinnert an Fakire. Ebenso an Gegenteiliges wie Folter. Das neutrale Weiß wirkt wie eine harmlose Landschaft. Doch wehe, der Titel animiert zum Insbettgehen. Shen erinnert an das chinesische Sprichwort „Leben ist schwer“. Ist es dennoch göttlich oder nur gottlos? Der Mut, den Weindl eingangs andeutete, meint, Künstler einzuladen, deren Tun und Denken ebenso wenig künstlerisch wie kirchlich bekannt sind. „Kirchenräume sind nicht reizreduziert wie Museen, denn sie haben ihre eigene Sprache.“ Nun ist es an den Kirchenbesuchern die Sprache die Kunstwerke zu dechiffrieren, sich einzulassen und in Kunst verwandelte Welten zu erkunden. Es bedarf dazu nur einer guten Portion Zeit. Ausstellung Bis 30. September; es liegen Blätter mit Kurzinfos aus.

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