Kaiserslautern Kleine Dinge ganz groß

Geschichten aus dem Leben: Kult-Reporter Alfons.
Geschichten aus dem Leben: Kult-Reporter Alfons.

Seit April präsentiert der französische Kultreporter Alfons in der Kammgarn Premieren seiner neuesten Filme, aktuellen Texte und beliebten Klassiker. Am Donnerstagabend war das Publikum im rappelvollen Cotton Club begeistert von seinen anrührenden Geschichten und Kommentaren zur Lage der Nation – auf der Bühne und auf der Leinwand. Als seine musikalischen Freunde umrahmten Pauline Ngoc, Guido Allgeier, Albert Koch und Vincenzo Carduccio das Programm.

„Wer war letztes Mal hier?“, fragt der „rasende Reporter“. „So wenige? Dann kann ich ja dasselbe erzählen wie damals.“ Auf Anhieb hat Alfons mit seinem liebenswürdigen Charme, seinem feinsinnigen Humor und dem französischen Akzent das Publikum gewonnen. Das Puschelmikrofon, die orangefarbene Turnjacke, Turnschuhe und das gelfeuchte Haar sind seine Markenzeichen. „Ich möchte euch gratulieren für diesen wahnsinnigen Wahlkampf“, prustet er. „Spannend wie das Telefonbuch von Bielefeld. Ihr mögt wohl Recycling in Deutschland. Die Alten waren doch gut bisher. Warum nicht noch mal?“ In Frankreich sei es absolut normal, Wahlplakate zu überkleben oder zu verschönern und Bärte auf die Gesichter zu malen. Da sagten die Deutschen schon: „Das darfst du nicht!“ Deswegen seien Franzosen und Deutsche so gute Freunde. „Weil wir so unterschiedlich sind,“ meint er. „Ihr seid sowas von korrekt. Ihr dürft euch aber auch nicht alles gefallen lassen.“ Und dann erzählt Alfons die Geschichte, wie französische Arbeiter die Teefabrik Unilever bestreikt und lahmgelegt hatten. Weniger Lohn und längere Arbeitszeiten hatte die Firma gefordert, weil sie kurz vor dem Bankrott stehe, sonst müsse sie ihre Produktion nach Polen auslagern. Die schlauen Arbeiter kamen aber dahinter, dass Unilever 130 Millionen Euro an der Steuer vorbei in der Schweiz „gebunkert“ hatte. „Und was kein Mensch geglaubt hätte“, erzählt Alfons. „Sie bewachten ihre Firma Tag und Nacht, damit keine Maschine wegtransportiert werden konnte.“ 1336 Tage lang hielten sie aus, Unilever verlor den Kampf vor Gericht, und die Arbeiter produzierten seitdem selbst ihren Tee. Den sie seitdem „1336“ nennen. Der Franzose versteht es, den Saal zu fesseln mit seinen unspektakulären und doch philosophischen Geschichten, die er aus seinem Leben erzählt. Seine Kunst besteht darin, aus ganz kleinen Dingen etwas ganz Besonderes zu machen. Er ist kein Comedian, er ist ein Geschichtenerzähler. Er rührt zu Tränen – vor Lachen mit seinem großartigen Witz und den genial satirischen Pointen –, aber auch fast zum Weinen durch seine nostalgischen Erinnerungen, an denen er höchst lebendig teilhaben lässt. So die Geschichte von der tragischen Liebe, weil die Post den Brief mit dem Heiratsantrag an die Geliebte mit 41 Jahren Verspätung überbracht hatte. „Mit der französischen Post muss man eben Geduld haben“, so Alfons. Noch mehr unter die Haut ging die Geschichte von dem Franzosen, der seine ganze Familie durch die Deutschen im Krieg verloren hatte und trotzdem keinen Hass verspüre, weil er der Überzeugung sei, dass Krieg niemals mehr passieren dürfe. Ganz und gar nicht gibt Alfons an diesem Abend den „trotteligen Franzosen“, der der deutschen Sprache nicht besonders mächtig ist. Er spielt aber schon mit den Klischees. Der Deutsche funktioniere nur, wenn er einen Verein gründen könne, er amüsiert sich mit dem Film über ein Westerndorf bei Köln darüber, wie todernst und präzise die Deutschen etwas nachbauen, „wie es nur die Deutschen können“. Aber auch in Selbstironie übt er sich, wenn er erklärt, bei seinem Hausbau habe er mit dem Weinkeller angefangen und erst mal ein paar Flaschen getrunken, bevor er mit der Arbeit begonnen habe. In Hochform waren auch Pauline Ngoc mit ihrer mal schokoladenwarmen, mal expressiven Stimme, der virtuose Mundharmonikaspieler Albert Koch, der sein Instrument benutzte wie ein Jazztrompeter, Guido Allgaier, der auf der Gitarre herrliche Single Notes hervorzauberte, und nicht zuletzt Vincenzo Carduccio als fingerflinker Akkordeonist. Bei Titeln wie „Black Orpheus“, „Route 66“, „Summertime“ oder „House Of The Rising Sun“ ging da richtig die Post ab. Zwei Zugaben.

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