Kaiserslautern Keiner muss sterben

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Punks statt Räuber stürmen die Bühne des voll besetzten Kammgarn Kasinos. Ganz modern und auch mit glücklicher Wende interpretieren 15 junge arbeitssuchende Erwachsene im Jobact-Projekt Schillers Drama „Die Räuber“.

In die Gegenwart haben die jungen Darsteller das Drama katapultiert, das sich im Original von Friedrich Schiller mit dem Konflikt zwischen Verstand und Gefühl befasst und die Rivalität zweier gräflicher Brüder als Ausgangspunkt nimmt – uraufgeführt im Jahre 1782. Die Räuber sind eine Gruppe Punks. Der junge Karl, gespielt von Miguel Fernandes, stößt zu ihnen. Negative Erfahrungen in seinem kurzen Leben haben den Freiheitsliebenden auf die schiefe Bahn gedrängt und ihn aufbegehren lassen. Vom Bruder Franz (Tobias Fohlmeister) mit einem gefälschten Brief beim Vater Maximilian Graf von Moor (Tobias Dietz) angeschwärzt und von jenem verstoßen, erhebt sich Karl gar zum „Leader of the Gang“, dem Räuberhauptmann. Die gemeingültigen bürgerlichen Konventionen verachtend leben die Punks am Rande der gesellschaftlichen Norm, treiben ein freies Leben, das sie nur scheinbar jeder Verantwortung entlässt. Doch Karl Moors freiheitsliebender Lebensstil beginnt sich langsam den selbstgeschaffenen Konventionen der Räubergruppe zu beugen. Seine Liebe zu Amalia von Edelreich (Sandra Rittelmeyer) bleibt wegen seines Freiheitswahns vorerst auf der Strecke. Was zu Beginn eher mit ruhigen Dialogen zwischen Vater und Sohn begonnen hat, nimmt im Laufe der Aufführung immer mehr Fahrt auf und entwickelt sich zur farbenprächtigen, choreographisch ausgefeilten Bühnenarbeit mit sehr gut gesprochenen Dialogen. Dabei zeigen die Schauspieler eine Bühnenpräsenz, die von Selbstsicherheit, körperlicher und textlicher Ausdrucksstärke nur so sprüht. Dies zeigt auch die selbstbewusste Tanzeinlage von Sandra Rittelmeyer. Die Wende kommt nach einer ausufernden Gewaltorgie und der Tötung des Erzählers und Clubbesitzers, gespielt von Francesco Saieva – und dem Bereuen der Tat. In einer Art zeitlicher Rückwärtsbewegung à la „Zurück in die Zukunft“ wird die Tat aber rückgängig gemacht. Es reift die Erkenntnis, dass durch den Hass auf die Vätergeneration, aufgestauten Frust und Selbstmitleid, die Selbstbestimmung auf der Strecke bleibt und oft in sinnfreie Gewalt umschlägt. Die Hinterfragung der „No Future“-Philosophie führt den Großteil der Punk-Räuber zu der Frage, wohin dieser Weg der selbst gewählten Ausgrenzung und Ablehnung sozialer Normen führen soll. Die Abkehr vom protesthaften Gruppenzwang und das Bekenntnis zur persönlichen Verantwortung – „Ich bin ich“ – setzt an die Stelle der Selbstaufgabe des Einzelnen das persönliche Engagement. Einzelne treten aus der Gruppe heraus. Das Scheitern der Protagonisten in Schillers Drama erfährt in der von den Darstellern umgestalteten Dramaturgie eine positive Wendung in eine eigenverantwortlich gestaltete Zukunft ohne Gewalt. „Wir wollen mit unserer Aufführung aufzeigen, dass nicht unbedingt jemand sterben muss, um die Welt zu verändern“, erklären die Schauspieler unisono. Die eigene Geschichte wird gestaltet, ohne dabei seine Individualität und persönliche Freiheit aufgeben zu müssen. Die Liebe siegt, die Mündigkeit des freien Bürgers mit allen Rechten und Pflichten übernimmt das Bewusstsein. Am Ende der Aufführung reißen die Darsteller die Arme hoch und feiern sich und das Publikum, das wiederum mit rauschendem Beifall und stehenden Ovationen die Arbeit der Künstler honoriert. Die Darsteller waren nach der Premiere überglücklich. Tobias Dietz resümierte: „Alles super gelaufen.“ Die Erwartungen wurden gar übertroffen, bestätigten alle Mitspielenden. Nico Sengutta, der den Grimm spielt, geht wie auf Wolke sieben und hat durch sein einzigartiges Outfit und kurze, aber ausdrucksstarke Texteinwürfe die Zuschauer auf seine Seite gezogen.

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