Kaiserslautern Kaiserslautern: Traditionellen Chören fehlt der Nachwuchs

Mit Bewegung im Rhythmus schwingen: Der Chor „Fresh“ von Andy Dodt (links) ist modern ausgerichtet. Er setzt einen Gegenpunkt zu
Mit Bewegung im Rhythmus schwingen: Der Chor »Fresh« von Andy Dodt (links) ist modern ausgerichtet. Er setzt einen Gegenpunkt zu den traditionellen Männerchören. Über das Fehlen neuer Mitglieder kann sich Dodt nicht beschweren. Ganz anders ist die Situation in vielen anderen Gemeinschaften.

Ein Blick auf die Kaiserslauterer Chöre zeigt: Nachwuchssänger machen sich in den traditionellen Gesangvereinen oft rar. Besonders die Männerstimmen fehlen häufig, reine Männerchöre gibt es immer weniger in und um Kaiserslautern. Das Singen moderner Lieder findet dagegen nach wie vor Mitmacher.

Wer einmal einen guten Chor gehört hat, weiß um dessen stimmliche Strahlkraft. Auch in Kaiserslautern ist die Vielfalt groß: Es gibt gemischte Chöre, reine Männer-, Knaben- oder Frauenchöre. Manche interpretieren traditionelles Liedgut, andere moderne Rock- und Popstücke. Ein Chor kann zum musikalischen Gemeinschaftserlebnis der besonderen Art werden. Singen macht Spaß, erfreut den Zuhörer und gibt der Atmung Ton. Wenn sich viele Stimmen in Harmonie vereinen, zeigt das auch gemeinschaftliches Füreinander.

Orientierung am klassischen Liedgut

Viele Chorgründungen haben ihren Ursprung im Zeitalter der Romantik, im 19. Jahrhundert. Erkennbar ist dies an den Vereinsnamen mit Gründungsjahr, wie zum Beispiel beim MGV 1870 Wiesenthalerhof, GV Eintracht 1874 Erlenbach, oder MGV 1893 Einsiedlerhof. Viele Chöre wurden damals als Männergesangverein gegründet und widmeten sich den Volksliedern ihrer Zeit. Viele dieser Vereine orientieren sich auch heute noch am klassischen Liedgut. Es könnte ein Grund dafür sein, dass sich die jüngere Generation, die in einer anderen Gegenwart aufwächst und andere Lieder singt, nicht mehr zu den klassischen Chören hingezogen fühlt. Dabei richten sich viele Chöre in Kaiserslautern auch modern aus. So hat der Siegelbacher Gesangverein zusätzlich zum klassischen Chor seinen Mix-Dur-Chor mit rockig und poppigem Repertoire. Der Schubert Chor singt ebenfalls modernes Liedgut, beispielsweise von Udo Lindenberg. Und auch der Männergesangverein Wiesenthalerhof baut immer wieder einmal aktuellere Lieder ein. „Die Männer bei uns wollen aber schon eher das traditionelle Liedgut singen“, erzählt der Vorsitzende Hans Werner Andre. Viele Singende teilen dort die Meinung, dass die klassischen Lieder gepflegt werden sollten.

Bewegung auf die Bühne bringen

Andere Chöre in Kaiserslautern haben es sich zur Aufgabe gemacht das gemeinschaftliche Singen ganz modern auszurichten. Einer der bekanntesten modernen Chorleiter in Kaiserslautern ist wohl Andy Dodt. „Ich habe keine Nachwuchssorgen, sogar eine Warteliste“, erzählt er über seine Projekte. Als Organisationsform hat er eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet, weil ihm die Vereinsstruktur nicht mehr zeitgemäß erscheine: zu hierarchisch, findet Dodt. Er arbeitet gleich mit mehreren Chören, dem „Heartchor“, „Fresh“ und dem Ü-65-Chor „Forever Young“. Sein Programm: Rock- und Popsongs aus den 50ern und 60ern bis in die Gegenwart. Die Sänger bringen bei ihren Auftritten Bewegung auf die Bühne. „Musik und Bewegung sind untrennbar miteinander verbunden“, sagt Dodt, der seine Chöre bei Auftritten mit der Gitarre begleitet.

Begeisterung müsse rüberkommen

Dennoch möchte Dodt den klassischen Chorgesang nicht verübeln. „Das Singen klassischen Liedguts im Chor ist etwas sehr schönes“, ist seine Meinung. Es hinge nicht nur vom Liedgut ab, die Begeisterung müsse halt rüberkommen, der Spaß sei wichtig. Doch trotz des Zulaufs seien auch in seinen Chören die Männerstimmen oft in der Unterzahl. Chormitglied Mark de Fries vermutet: „Männer sind eventuell etwas gehemmter, sich zu bewegen.“ Auch Ingrid Choim, Vorsitzende des Chors Lucky Voices, bestätigt: „Es ist leider wahr: Männer trauen sich weniger im Chor zu singen als Frauen.“ Ein Grund der immer wieder angeführt werde sei der folgende: „Ich kann nicht singen, höre ich oft und entgegne dann, singen im Chor kann jeder lernen. Wir sind alle keine Profis. Dass trotzdem ein schöner Klang entsteht, bedeutet allerdings proben, proben, proben“, sagt sie. Der Chor übt gerade für einen Auftritt in der Apostelkirche, der zusammen mit dem frühen Mitglied der Kelly Family, Kathy Kelly, stattfinden wird. Er ist für voraussichtlich Freitag, 15. Juni, geplant. Kelly engagiert sich für Chöre und soll im Rahmen ihrer aktuellen Tournee auch Station in Kaiserslautern machen. Das Repertoire von Choims Lucky Voices reicht von Gospel hin zu Rock und Pop von den 70er bis 90er-Jahren. „Das alte Volksliedgut empfinde ich nicht mehr zeitgemäß“, sagt sie zur Begründung.

Modernes Programm 

Ein reiner Frauenchor, nach Aussage der Vorsitzenden Conny Palme „ohne Nachwuchssorgen“, ist der Frauenchor Palzpepper. Das Programm ist modern ausgerichtet. Besonderes Charaktermerkmal der Gruppe ist der als Barbershop bezeichnete Chorgesang der einem speziellen vierstimmigen Harmoniegerüst folgt. Das Klangbild erinnert an die einst populären Comedian Harmonists und setzt sich somit vom klassischen Chor hörbar ab. In der Regel werden die Lieder a cappella, also ohne musikalische Begleitung vorgetragen. Der Vorstand eines Gesangvereins und der Chorleiter spiele natürlich eine wichtige Rolle für den Erfolg, sagt Chorleiterin Alexandra Hoffmann. Sie betreut drei Männer- und Gemischtchöre in Kaiserslautern. Einer davon ist der des GV Eintracht 1874 Erlenbach. „Dort ist der Vorstand Norbert Siedow sehr aktiv“, erzählt Hoffmann. So hatte ein vor zwei Jahren veranstaltetes Konzert mit Solisten des Pfalztheaters eine große Resonanz, was die Mitglieder motiviere und auch Neumitglieder gebracht habe. Für den letzten Samstag im Oktober dieses Jahres ist wieder ein Liederabend mit befreundeten Chören geplant. Das halte die Stimmen am Singen.

Spaß am Singen aufrecht erhalten

Auch der MGV Einsiedlerhof hat mit seinem aktiven Männerchor noch eine Truppe beisammen und tritt regelmäßig auf. Der Verein feiert gerade in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Viele der alteingesessenen Gesangvereine specken aber aufgrund Mitgliedermangels ihr Programm ab. So erging es zum Beispiel dem Gesangverein „Deutsche Brüder“, der immerhin seit 1880 im Vereinsregister steht. „Wir singen noch, machen aber keine öffentlichen Auftritte mehr“, erzählt die Vorsitzende Ursula Stepponat. Die Sänger wollen das traditionelle Liedgut singen, der Nachwuchs bleibt wohl aus diesem Grund aus, vermutet sie. Der Gesangverein 1868 Erfenbach wird sich sogar zum 31. Mai aus Altersgründen und Mangel an Nachwuchssängern ganz auflösen. Das Jubiläum zum 150. Geburtstag am 6. Mai werde aber auf jeden Fall im Sängerheim noch gefeiert, sagt Anneliese Recktenwald, die Geschäftsführerin des Chors. Viele Chöre und aktive Sänger zeigen, dass es lohnt den Spaß am Singen und dem Gemeinschaftserlebnis aufrecht zu erhalten. So beschreibt ein altes Sprichwort von Johann Gottfried Seume: „Wo man singt, da laß` dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Dies gilt wohl auch immer noch, für klassische, genauso wie für poppige Chorarbeit.

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