Kaiserslautern Kaiserslautern: Gysis Appell an die Jugend

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Wirkte vor und nach seinem Auftritt auf dem Bremerhof entspannt, auf der Bühne aber gewohnt kämpferisch: Gregor Gysi.

Volles Haus am Bremerhof: Der Auftritt des wohl bekanntesten Linken-Politikers Gregor Gysi lockte am Freitagnachmittag rund 500 Menschen in den Biergarten des Ausflugslokals. Eine gute Stunde unterhielt der 70-jährige Bundestagsabgeordnete die Gäste, die seine launige Rede mit großem Applaus quittierten.

Populär

Welch große Popularität der Politiker genießt, ist schon zu erahnen, noch bevor er die Bühne am Bremerhof betritt. Kurz vor halb vier nimmt Gysi an einem Tisch in der ersten Reihe Platz, begrüßt seine Vorredner, seine beiden Fraktionskollegen Brigitte Freihold und Alexander Ulrich sowie den Friedenspfarrer der Evangelischen Kirche der Pfalz, Detlev Besier, legt sein Redemanuskript vor sich auf den Tisch, scheint sich ein wenig sammeln zu wollen. Keine zwei Minuten später hat sich schon eine Schlange von Menschen gebildet, deren Autogrammwünsche – die meisten haben ein Buch mitgebracht – Gysi höflich, fast zurückhaltend erfüllt. Auch für Fotos steht Gysi gerne zur Verfügung. In Kaiserslautern sei er schon gewesen, berichtet Gysi auf RHEINPFALZ-Nachfrage, auch den Bremerhof kenne er. Eine spezielle Verbindung habe er zur Region aber nicht. „Als Bundespolitiker sind sie überall in Deutschland unterwegs“, berichtet er. Die Gegend sei aber sehr schön. Auch wenn der Pfälzerwald als Urlaubsziel für ihn wohl kaum infrage komme. „Ich reise eher ins Ausland. Da werde ich nicht so oft erkannt“, bekennt er. Im Sommer erholte er sich beispielsweise in Schweden.

Aufruf an die Jugend

Auf dem Bremerhof dagegen brandet Jubel auf, als Gysi um kurz vor 16 Uhr die Bühne erklimmt. An politischen Fragen lässt Gysi während seiner gut einstündigen Rede kaum ein wichtiges Thema aus: Die EU sei zwar reformbedürftig, trotzdem müsse die europäische Integration weiter vorangetrieben werden, das sei man den kommenden Generationen schuldig: „Unsere Jugend ist europäisch“, sagt Gysi. Aber: „Ihr seid nicht rebellisch genug“, schreibt er den jungen Leuten gleichsam ins Stammbuch, ruft zu Widerstand auf, ohne Gewalt, dafür aber mit Witz und Humor, unterstreicht er. Weniger gnädig ist Gysi mit der Großen Koalition, deren Neuauflage er für einen Fehler hält. Viel lieber hätte er eine Minderheiten-Regierung gesehen, das hätte aus seiner Sicht den politischen Dialog neu beleben können. Die Bezeichnung Jamaika-Koalition für das gescheiterte Mitte-Rechts-Bündnis auf Bundesebene findet Gysi eher unglücklich: „Bei Jamaika denke ich an Rum, Reggae und Usain Bolt, aber nicht an Merkel, Seehofer, Göring-Eckardt und Lindner.“

Erklärungsversuche für Übergriffe in Chemnitz

Für die Übergriffe in Chemnitz liefert Gysi Erklärungsansätze: Die Gesellschaft sei zu DDR-Zeiten eine geschlossene gewesen – ohne Kontakt zum Islam – , zudem hätten sich die Ostdeutschen nach der Wende oftmals als Deutsche zweiter Klasse verstanden. „Die sozialen Ängste sind im Osten doppelt so groß.“ Die Frontleute der Bundesparteien – und dazu gehört Gysi ohne Frage, auch wenn er seit drei Jahren nur normaler Bundestagsabgeordneter ist – haben eng getaktete Terminkalender. So reicht es noch fürs Anstoßen und einen kurzen Schluck Bier mit Alexander Ulrich, auch ein Foto mit Bremerhof-Wirt Alf Schulz ist drin. Dann geht es weiter. Am Abend wird Gysi in Trier erwartet. Dort spricht er mit einer Künstlerin über Marx. Wahrscheinlich erneut vor vollen Rängen ...

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