Kaiserslautern Kabarettist Wolfgang Marschall bekommt zweiten Kulturpreis der Stadt

Wehe, wenn er satirisch-untierisch austeilt: Wolfgang Marschall.
Wehe, wenn er satirisch-untierisch austeilt: Wolfgang Marschall.

„And the winner is …!“ Der zweite Kulturpreis der Stadt Kaiserslautern geht in diesem Jahr an Wolfgang Marschall – Bühnenautor und Kreativkopf der überregional bekannten Lauterer Kabarettgruppe Die Untiere. Warum die Entscheidung schwer fiel und wer bislang noch nicht gratuliert hat.

Ausgezeichnet wurde Marschall für „sprachliche Brillanz“, „inhaltlichen Scharfsinn“ und sein Talent, den kabarettistischen Finger immer tief „in kommunalpolitisch und gesellschaftlich offenen Wunden“ zu legen. Viel Lob und Anerkennung. Und wer hat es als Letzter erfahren? Natürlich der Rezipient selbst!

„Ich habe am Donnerstag via Facebook viele Glückwünsche bekommen und war ganz überrascht“, verrät der Kult-Kabarettist. „Ich wusste von nichts. Ich wusste zwar, dass ich nominiert war, aber nicht, dass schon eine Entscheidung getroffen wurde.“ Neben Wolfgang Marschall wurden acht weitere Kulturschaffende vorgeschlagen. Drei davon wurden von Bürgermeisterin und Kulturdezernentin Beate Kimmel dem Ausschuss unterbreitet. Kimmel hatte sich vorher mit Kulturreferatsleiter Christoph Dammann sowie einem Vertreter des Vorstandes der Sparkassen-Kulturstiftung beraten.

Gefürchteter Name

„Diese Entscheidung ist uns allen wirklich schwer gefallen, es waren hervorragende Vorschläge, die eingereicht wurden. Dies ist auch ein Zeichen für die Qualität und Wertschätzung unserer städtischen Kulturszene und des bürgerschaftlichen Engagements“, sagte Beate Kimmel. Am Ende fiel die Wahl auf einen Namen, der wie kein Zweiter in der lokalen und überregionalen Politkabarettszene gewürdigt wird – und gefürchtet ist. Seit Jahren und Jahrzehnten nennt er die Dinge beim Namen, prangert politische Fehltritte mit satirischen Punktlandungen an, nimmt gesellschaftlichen Wahnsinn mit unnachgiebiger Präzision unter die rhetorische Lupe und trifft nicht nur den Nerv der Zeit, sondern auch den Nerv von so manchen seiner kabarettistisch-kritisierten „Opfer“ – gerade im vergangenen Corona-Jahr. „Der Unterhaltungswert ist enorm, die Bühnenprogramme der Untiere, vorgetragen mit Humor und Satire sowie herausragender musikalischer Untermalung, sind wesentlich durch sein Schaffen geprägt. Auch die große überregionale Ausstrahlung der Truppe ist zu einem großen Teil sein Verdienst“, so lautet die Jury-Begründung.

Eine ganze Glückswoche

Generell war es eine Glückswoche für den Kabarettisten. Am Freitag bekam er die Zusage, dass das Oktober-Programm der „Untiere“ im SWR bezuschusst wird. „Da saßen wir schon auf glühenden Kohlen“, sagt er. „Aber nun stehen wir, was das angeht, auf der sicheren Seite.“ Sein „Emanzipationsstück“ für das Mannheimer Theater nimmt immer mehr Form an, genauso wie das erste selbstgeschriebene Buch – das sich vom ursprünglich geplanten Kinderbuch langsam zum Jugendbuch mausert. Und nun auch noch der Preis. Zumal dieser von „lokalpolitischer Seite“ gestemmt wird – also der Seite, die Marschall oft im kabarettistischen Visier hat. Macht das noch stolzer? „Natürlich. Zum einen war Beate Kimmel ausschlaggebend. Die mag das schon, was wir machen. Sie hat mit Sicherheit auch ab und zu mal geschluckt, aber sie hat es verstanden, wie Satire funktioniert.“

Aus Liebe zur Stadt

Denn eines betont der Untier-Rudelführer ganz klar: „Alles, was ich auf der Bühne sage, sage ich aus Liebe zur Stadt! Wenn ich Kritik an den Entscheidungen für die Stadt äußere, dann ist das eine Kritik für die Stadt. Wenn ich den Oberbürgermeister kritisiere, dann kritisiere ich nicht die Stadt selbst, in die ich über Jahre immer wieder zurückgekommen bin. Ich fühle mich hier wohl und ich sehe viel Potenzial in Kaiserslautern. Man kann aus der Stadt sehr viel machen. Das was uns, den Untieren, noch fehlt, ist ein Bewusstsein in der Stadtpolitik-Spitze für beispielsweise den Wert der Natur und der Kultur. Denn die echte Kultur findet in der Provinz statt.“ Übrigens: Vom Oberbürgermeister Klaus Weichel, der auf der „Untier“-Bühne gerne mal als „Klausi“ verulkt wird, gab es bisher noch keine Gratulationen. „Aber gut, den haben wir auch ein bisschen nachhaltiger verärgert – nicht ganz unverdient, wenn er mal ehrlich ist“, so Marschall.

Zorn elegant verpackt

Ja, was die Irrungen, Wirrungen und Ärgernisse der Lokalpolitik angeht, hat Marschall – Jahrgang 1957 – schon vor langer Zeit die „jugendliche Naivität“ abgelegt. „Aber politisch und gesellschaftlich stehe ich heute immer noch hinter den gleichen Überzeugungen, die ich früher als junger, naiver Kerl hatte.“ Vor diesem Hintergrund hatte er gerade im chaotischen Pandemie-Jahr 2020 öfter mal Momente, „in denen ich am liebsten mal die Kamera genommen und meinen Zorn ungefiltert direkt ins Netz gehauen hätte“. Aber der erfahrene Kabarettist konnte sich jedes Mal zügeln und bündelte den Zorn stattdessen elegant verpackt in seinen Bühnentexten.

Der Preis ist ein Versprechen

Den Preis nimmt er als „Herausforderung und Versprechen an. Dafür, auch weiterhin im Sinne der Liebe zur Stadt gute Arbeit zu machen, konzentriert zu recherchieren und den Finger auf die Wunden zu legen“. Nicht nur für die Untiere, sondern auch für die Theaterbühnen. „Ich werde immer Denkweisen infrage stellen. Und wer sich mit seiner oder ihrer eigenen Denkweise so sehr identifiziert, dass er oder sie sich von meiner Kritik beleidigt fühlt, dann ist das das Problem der Extrem-Narzissten unter uns.“ Umso mehr freut sich Marschall über die Entscheidung des Kulturausschusses. „Ich habe mich sozusagen untierisch gefreut. Es ist ein Stück weit Anerkennung. Und die tut mir und uns Untieren sehr sehr gut.“

Eine feierliche Preisverleihung wird es natürlich auch geben - bisher angesetzt für den September, mit Eröffnung der Konzertsaison in der Fruchthalle.

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