Kaiserslautern Hunde sind zu tragen

Beim 25-jährigen Bühnenjubiläum blieb „Kabarettstammtischler“ Gerd Kannegieser seiner Erfolgslinie treu: Am Samstag betrat der urige Pfälzer Mundartkabarettist keine Bühne – die Otterbacher Oskar-Steiner-Halle hatte weder Bühne noch Podium –, der gemütliche und sinnierende Plauderer Kannegieser hatte wie zu einem Familientreffen geladen. Knapp 100 Besucher an rautenförmigen Tischen wurden immer wieder in den Monolog einbezogen, der dann scheinbar zum Dialog wurde.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kabarettgrößen betritt Kannegieser also weder Bühne, noch sucht er thematisch die Kommunal-, Landes- oder sogar Weltpolitik auf. In seiner imaginären Stammtischrunde werden kauzige Kreaturen charakterisiert, in denen sich viele wiederfinden (sollen). Schon Kannegiesers T-Shirt mit dem Aufdruck „Fritz, noch e Pils!“ zeigt den Dunstkreis von Dorfkneipen, und die Herzensergießungen seiner Besucher werden hier auf eine liebenswürdige Art karikiert. Stammtischniveau, das weckt Assoziationen an Plattitüden und Klischees. Doch hinter dem scheinbar nur amüsanten Wechselspiel aus Monolog und Dialog (mit dem einbezogenen Publikum) steckt doch weit mehr: An Themenkomplexen wie Technisierung und Fortschrittsglaube werden in skurrilen Überzeichnungen grundsätzliche Probleme des alltäglichen Lebens überdeutlich. Der Mensch ist ständig vernetzt und pausenlos erreichbar – in Kannegiesers Sketch sogar unter Wasser mit wasserdichten Smartphones. Und doch zeigt er die Sprachlosigkeit und Verarmung der Menschen, die trotz Facebook einsam sind. In seinen Berichten hetzen Menschen zu Terminen, nehmen die Wirklichkeit nicht mehr wahr, und die Menschlichkeit oder Gemütlichkeit – womit der Stammtisch den Gegenpol bildet – bleibt auf der Strecke. „Kann der Mensch mit der rasanten technischen Entwicklung Schritt halten?“ Selbstironisch verneint dies der Satiriker. Wie diese Technisierung Entfremdung und Paradoxien mit sich bringt, zeigt Kannegieser an vielen gelungen und urkomischen Beispielen: Sprechende Kühlschränke, Waschmaschinen-Programme mit „Handwäsche“, das mache ihm Angst. Schließlich leitet er gekonnt mit Floskeln wie „Wie sinn mer do bloß druffkumm“ zu einem weiteren Dauerbrenner über, der Überalterung der Gesellschaft, die mit technischen Spielereien zunehmend überfordert werde. Im Alter sieht Kannegieser weniger technische als philosophische Aspekte: Oft frage er sich, „wo kumm ich her, un wo will ich hi“. Themen aus der Volksseele also, vom Stammtisch zwar, aber mustergültig für viele Zeitgenossen. Kannegieser stellte schließlich die Frage nach dem typisch „Deutschen“ und gab selbst einige skurrile Antworten: lange Unterhosen mit Bügelfalten und vor allem ein weltweit einmaliger Schilderwald und Verordnungen. Schilder führte er ad absurdum, wenn sie etwa nach seiner Beobachtung auf einer Rolltreppe eines Kaufhauses lauteten: „Hunde sind zu tragen.“ Was aber, fragt sich der zu doppeldeutigen Betrachtungen neigende Entertainer, wenn man keinen mitführt, woher nehmen?

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