Kaiserslautern Herz aus Glas

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Die Werkgemeinschaft Landau ist vergangene Woche in Stuttgart mit einem der vier Hauptpreise des Architekturpreises Wein ausgezeichnet worden. Prämiert wurde die vom dem Büro geplante Vinothek des Weinguts Meyer in Heuchelheim-Klingen. Ein Projekt, das für eine neue Winzergeneration und den Wandel einer Region steht.

Heuchelheim-Klingen, Südpfalz, Bahnhofstraße. Hier parkt kein Mensch sein Auto, ohne die Handbremse zu ziehen. Es geht abwärts. Die Architektur, auf die der Blick sogleich fällt, ist auch ziemlich steil. Und auffällig. Ein kantiges Gebäude, dunkel- und hellgrau gestrichen, langgestreckt, mit feldwegbreit auskragendem Flachdach und markanter Attika. Zurückgesetzte Leuchten, Spots vielmehr, in die Decke integriert, markieren die Flucht der Architektur entlang der Straße und der nahe gelegenen Weinberge. Nach zwei Dritteln knickt der Baukörper noch einmal ab, parallel zu dem immer abschüssigeren Gelände. Sein vorderes Drittel indes ist ganz erfüllt von Licht. Es fällt durch die geschosshohe Verglasung. Wie ein Einschnitt von Transparenz wirkt dieser Teil im massiven Baukörper. Einladend. Er geht über Eck. Der gläserne Eingang an der Querfront hat eine Schräge. Das Element in der Fassade ähnelt einem auf die Seite gekippten Satteldach. Sehr dynamisch wirkt das. Und das passt ja ganz wunderbar. Das Weingut Meyer in Heuchelheim-Klingen, ein in dritter Generation geführter Familienbetrieb, macht mit dem Umbau seiner Betriebsstätte samt der lichterfüllten Vinothek gerade noch einen Schritt. Sagen wir es so, die Winzer in der Südpfalz galten noch vor wenigen Jahrzehnten eher als Bauern. Zumindest vergleichsweise zu den Gutsbesitzern im Osten der Pfalz. Entsprechend sahen ihre Weingüter aus. Reine Zweckbauten mehr oder weniger. So wie die mit Fachwerk-Applikationen aufgehübschte Lagerhalle aus den 1970er Jahren, die Winzer Andreas Meyer jetzt auf einem frappierenden Vorher-Foto zeigt. Es datiert aus dem Jahr 2012. Opa Edmund Meyer, erzählt er, habe 1949 mit der Vermarktung von Flaschenwein begonnen. Die Eltern Karl-Heinz und Gudrun Meyer übernahmen in den 1980er Jahren. Seit 2008 ist Andreas Meyer selbst nun für die Bewirtschaftung der 17-Hektar-Anbaufläche verantwortlich. Ein bodenständiger Typ, Motorradfahrer, als Winzer, der Tradition und Innovation gleichermaßen verhaftet. Er führt das südpfälzische Weingut in andere Regionen. Andreas Meyer, nach Lehrjahren bei den Weingütern Siegrist, Dr. Wehrheim und Christmann, staatlich geprüfter Weinbautechniker, ist 2013 in das „Spitzentalente“-Programm des VDP Pfalz aufgenommen worden. Nicht, dass er einem das erzählen würde. Das muss man recherchieren. Genauso, dass der „Gault-Millau“ 2015 sein Weingut als „Geheimtipp“ führt. Oder es in der aktuellen Ausgabe des Magazins heißt, er liefere „seit Jahren konstant gute Arbeit ab“. Der „Stern“ schreibt über Meyer-Weine. Sie sind vielfach prämiert und werden überregional verkauft. Bis nach Oslo und Prag. Irgendwann passte es nicht mehr, dass potenzielle Weinkäufer an der Tür des an die Halle angedockten Privathauses klingeln mussten, um dann das Probieren zu improvisieren. Manche empfanden das als Hemmschwelle, erzählt der Jungwinzer. Andere klingelten zur Unzeit. Zu sehr erinnerte das alles an die 1970er Jahre. Andreas Meyer begann, sagt er, 2012 über Architektur nachzusinnen, vor allem über eine Vinothek, die die Qualitäts-Philosophie des Weinguts repräsentiert. Die Denkrichtung ist unter Pfälzer Winzern mittlerweile sehr weit verbreitet. Es herrscht rege Bautätigkeit. Zu erleben war das wieder beim Tag der Architektur in Rheinland-Pfalz dieses Jahr. Mit dabei allein sieben Weingüter. Schwedhelm im Zellertal etwa, ein puristischer Bau in exponierter Hanglage, Wohnhaus und Vinothek in einem, basierend auf dem vorhandenen Fasskeller. Und unweit, das Weingut Hein machte auch mit. Vom Turmsöller des Baus schaut man selig ins Weite. Zum vierten Mal schon deutschlandweit ausgeschrieben, ist dieses Jahr der Architekturpreis Wein gewesen. Er ist von der Landesarchitektenkammer angeschoben worden, zu den Auslobern gehört auch der Deutsche Weinbauverband. 50 Weingüter haben sich dafür beworben. 13 Nominierte gab es für die Preise. Und bei der Verleihung in Stuttgart waren die Pfälzer besonders erfolgreich. Drei Anerkennungen gingen zu uns hier: an das Sausenheimer Weingut Gaul. An Ralph Anton in Kirrweiler. Und an das Weingut Borrell-Diehl in Hainfeld. Das Weingut Meyer in Heuchelheim-Klingen allerdings ist für seinen Umbau, speziell für die dabei neu entstandene Vinothek, zu einem der vier Hauptpreisträger 2016 gekürt worden. Vor allem „ganzheitliche Lösungen“, heißt es in den Wettbewerbsregularien des Architekturpreises Wein, sollen ausgezeichnet werden. Projekte, die „aus der engen Zusammenarbeit mit der Winzern und Architekten hervorgegangen sind“. Andreas Meyer hat mit der Werkgemeinschaft Landau bestens kooperiert. Insbesondere mit Carolin Seegmüller, Innenarchitektin und Partnerin der Werkgemeinschaft. Das 1976 gegründete Büro wird – neben Seegmüller – von Jürgen und Peter Sebastian in zweiter Generation geführt. Sie schaut leicht versonnen auf die Mappe, die den Planungsfortgang des Bauvorhabens Weingut Meyer dokumentiert. Sie hält sich, untypisch für ihren Berufsstand, mit Erläuterungen über ihr Werk zurück. Was soll sie groß sagen? Der krasse Vorher-Nachher-Effekt ihrer gleichsam behutsamen Eingriffe spricht auf den Fotos und in der Realität für sich. Andreas Meyer sagt, er sei durch das Kasernengebäude „null41“ auf die Werkgemeinschaft aufmerksam geworden. Ein Sanierungsprojekt der Architekten auf dem Landauer Landesgartenschaugelände, zu dem auch ein Weinkontor gehört. Einige Büros, sagt der Winzer, hätten ihm ihre Pläne vorgestellt. Das Konzept von Seegmüller, Sebastian und Sebastian habe ihn aber am meisten überzeugt. Die Architektin lächelt. Was in der von ihr gestalteten Vinothek sofort auffällt, ist ein eingestellter, massiver Solitär, der Maßverhältnisse und Formen wie die Schräge am Eingang von außen nach innen so spielerisch wie genau gezirkelt überträgt. Eine Multifunktions-Box aus Eichenholz. Maßarbeit, gleichzeitig Tresen, Kleinküche, Schauraum und Ausstellungsvitrine für die Weine. Und zudem gliederndes Element für den Raum mit den offenliegenden Decken-Bindern und der leisen Industrieanmutung. Carolin Seegmüller sagt, der Schreiner habe zwischendurch schon mal geflucht. Auch wegen des Perfektionsdrangs, der Winzer und Architektin umtreibt. Dezent ist der Probier-, Veranstaltungs- und Verkaufstrakt, durch eine eingezogene Steinwand entstanden, von der Produktionshalle abgesetzt. Mehr ein Übergang, der von hochwertigen Materialien angezeigt wird. Der Bodenbelag mit den deutlichen Gebrauchsspuren indes ist der gleiche, Estrich. Allerdings sieht er in der Halle nach Arbeit, in der Vinothek durch Aufpolierung und Lack auf einmal edel aus, hochwertig. Die Einrichtung ist entsprechend, Eames-Stühle, die Klassiker. Und eigens angefertigtes Holzmobiliar, das Klarheit ausstrahlt. Zu dritt stehen wir jetzt für einen Moment da und schauen einfach mal. Was das besonders Schöne an der Vinothek des Weinguts Meyer ist, der Weinkäufer hat das Ganze im Blick. Durch die Glasfront auf die Rebenlandschaft. Durch eine Glastür und eine vertikale Fensteröffnung in die Halle auf die Wein-Herstellung. Im Glas auf das Endprodukt. Der Sauvignon Blanc Jahrgang 2016 übrigens schmeckt nach Stachelbeere. Info www.meyer-weingut.dewww.diearchitkten.orgwww.wgld.de

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