Kaiserslautern Hart am Leben: Vereinigtes „Deutschalalalaland“

Ohne Musik, so befand Friedrich Nietzsche, ist das Leben ein Irrtum. Und der Fußball, so trällerte sein Philosophenkollege Franz Beckenbauer mit der Nationalelf von 1974, ist unser Leben. Ein Weltregent, wie es weiter heißt. Der Kaiser muss es ja wissen. Und so ergibt sich die einfache Formel: Fußball ist unser Leben und funktioniert nicht ohne Musik. Selten erscheint diese Logik stichhaltiger, als in den Wochen vor und während einer Fußball-WM. Schließlich ernennen die Edelmänner von der Fifa jeweils eine offizielle Hymne dafür. Der Song zum Turnier in Brasilien kommt von US-Rapper Pitbull und seiner Landsmännin Jennifer Lopez. „We are one (Ole Ola)“ liefert die Mitsing-Anleitung schon im Titel und gesteht sogar einer einheimischen Künstlerin zu, einige Zeilen beizusteuern: ganze 15 Sekunden darf Claudia Leitte mitsingen. Oje? Oja! Besonders lukrativ ist das Geschäft mit den Fußball-Hits in Deutschland, wo sich seit dem „Sommermärchen“ 2006 zur WM kollektive Ekstase ausbreitet. Da darf der passende Soundtrack nicht fehlen. Wie soll man denn sonst den Titel holen? Ob gestandene Profis oder Amateure, alle wollen sie ein Stück abhaben vom üppigen WM-Song-Kuchen. Bushido, Grönemeyer, Blumentopf, Pocher und andere machen sich zu den Barden von König Fußball, um die Tafelrunde um Fürst Jogi zum Weltpokal und das Fußballvolk in die Plattenläden zu singen. Besonders aber beim gemeinen Volk treibt das runde Leder seltsame Blüten. Hier krächzt die Dschungelkönigin Melanie Müller „Deutschland schieß ein Tor“ und hat selbst den Schuss nicht gehört, besingt ein drall-blondes Pornosternchen mit dem programmatischen Namen Aische Pervers ein „Deutschalalalaland“, schlürft der Thüringer Klöße-Fritz auf einem Provinzbolzplatz Caipirinha und fordert „Haut ihn rein“. So macht seine Majestät König Fußball seine Untertanen ein ums andere Mal zu einem Narrenvolk. Auch das hat Nietzsche geahnt: Irrsinn, so urteilte er in „Jenseits von Gut und Böse“, sei beim Einzelnen etwas Seltenes – bei Gruppen und Völkern aber die Regel.

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