Kaiserslautern Grundnahrungsmittel oder nur Häppchen?

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Die Wahlkampf-Maschinerie läuft auf Hochtouren. Die Parteien ringen mal sachlich, dann wieder populistisch um die Gunst der Wähler. Das Thema Kultur spielt dabei nur ganz am Rande eine Rolle, was auch der Blick in die Wahlprogramme bestätigt. Auch mehr oder wenige heilige Kulturallianzen, die zuletzt verzweifelt geschmiedet werden sollten, ändern daran nichts.

Nachvollziehbar ist das eigentlich nicht: Kulturpolitik könnte das ganz große Ding sein, schließlich fällt sie in die Verantwortung der künftigen Mainzer Landesregierung. Doch auch wenn es zuletzt zumindest den Anflug einer gewissen Aufgeregtheit um kulturpolitische Themen gegeben hat, die Kultur bleibt – im Wahlkampf wie im politischen Alltag – eher eine Marginalie. Letztlich ist es ein intellektuelles Debakel. Ein Armutszeugnis. Kulturpolitik wird einzig und allein als Subventionspolitik verstanden. Anders gesagt: Eine Landesregierung, die viel Geld für Kultur ausgibt, betreibt gute Kulturpolitik; jene, die Einsparungen bei der Unterstützung der Kulturinstitutionen vornimmt, ist, überspitzt formuliert, des Teufels. Aber so einfach ist es ja nicht. Gestaltende Politik sieht jedenfalls anders aus als das, was wir in der Vergangenheit erleben konnten und wohl für die Zukunft befürchten müssen. Visionen, den Eindruck muss man leider haben, scheinen unter Kulturpolitikern, sofern man solche auf kommunaler oder auf Landesebene überhaupt antrifft, eher etwas für den Arztbesuch zu sein. Um einen ganz schlechten Witz zu zitieren. Gemacht hatte ihn einst Helmut Schmidt über Willy Brandt. Die Kultur ist ein Anhängsel: In Rheinland-Pfalz derzeit im Riesenministerium von Vera Reiß für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur. Sollte Julia Klöckner Ministerpräsidentin werden, wird sie vom designierten Chef der Staatskanzlei, dem aktuellen Pirmasenser Bürgermeister Bernhard Matheis, mit verwaltet. Mattheis würde damit die Funktion des derzeitigen Kultur-Staatssekretärs Walter Schumacher übernehmen, dem man zumindest ein leidenschaftliches Interesse für die Kultur zugutehalten kann. Womit er quasi ein Vielfaches an Über-Qualifikation im Vergleich zu vielen anderen Kulturpolitikern mitbringt. Da hatte und hat man nicht selten das Gefühl, dass die Besetzung nach dem Prinzip abgelaufen ist: „Was ist denn noch übrig vom Kuchen der Staatssekretärs-Posten? Die Kultur! Gut, die geben wir dem (Name der Redaktion bekannt), der hat sich das verdient.“ Der Blick in die Parteiprogramme ist denn auch eher desillusionierend. Bei der AfD zum Beispiel blickt man in einen Abgrund. Also in eine Art tiefes Loch. Im Grunde ins Leere. Da ist nichts. Kultur kommt nicht vor. Bildung nur bezogen auf Schulpolitik. Lediglich in der Präambel lernen wir: „Wir sehen Deutschland als Teil des europäischen Kulturraums. Die Wurzeln der europäischen Kultur reichen bis in die Antike zurück.“ Das ist so richtig, wie es nichts darüber aussagt, wie man mit solchen Grundsätzen Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz gestalten will. Und martialisch wird es dann bei der Deutschland-Alternative auch noch: „Aber wahrscheinlich sind die stramm traditionsbewussten Alternativen ja ohnehin felsenfest davon überzeugt, dass das Dichter-und-Denker-Gen unauslöschlich mit dem deutschen Wesen verbunden ist. Da braucht es keine weitere Kulturpolitik, und eine moderne Inszenierung eines Schiller-Dramas oder von Beethovens Freiheitsoper „Fidelio“ kann sowieso nur schaden. Zumindest der Name Schiller fällt im Wahlprogramm der FDP. Ganz im Geiste des Liberalismus: „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ Unbeantwortet bleiben die Fragen, ob die Freiheit dann die Mutter oder der Vater der Kunst ist und mit wem sie denn nun eigentlich die gemeinsame Tochter gezeugt hat. Ansonsten schießen die Freidemokraten eine griffige Parole nach der anderen aus dem Köcher, bleiben jedoch weitgehend unverbindlich und wenig konkret. Nur in eine Aussage scheint der Geist von Rainer Brüderle gefahren zu sein: „Die FDP begreift den gesamten kulturellen Bereich auch als einen wesentlichen Bestandteil der Wein- und Tourismuswirtschaft (...).“ Einig ist man sich bei FDP wie Grünen, bei SPD, Union und Linke immerhin darüber, dass Kultur gefördert werden müsse. Das steht zwar so nicht immer wörtlich im Programm. Alle Parteien betonen jedoch, dass Kultur für jeden zugänglich sein müsse, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Theater, Orchester und Museen auch weiterhin von der Öffentlichen Hand unterstützt werden sollen, weil sonst für manche Rheinland-Pfälzer die Eintrittskarte beispielsweise ins Theater schlichtweg unbezahlbar werden würde. Das ist doch schon mal was. Selbstredend lobt die Regierungspartei SPD ihre eigene Kulturpolitik, während die CDU glaubt, erkennen zu können, dass diese unter der Landesregierung „zu einer Randerscheinung der Landespolitik“ geworden sei. Grüne und SPD streiten sich im Grunde darüber, wer denn mehr für die Kulturförderung in der Breite unternommen habe (konkret: Wer hat das Programm „Jedem Kind seine Kunst“ ins Leben gerufen?), wobei die SPD zurecht für sich in Anspruch nehmen kann, den Kultursommer erfunden zu haben. Tatsächlich eine der wenigen nachhaltigen Erfolgsgeschichten der rheinland-pfälzischen Kulturpolitik. Ein Gedanke taucht dagegen dezidiert nur bei der Linken auf: „DIE LINKE fordert deshalb, dass Kultur nicht nur in der Landesverfassung geschützt ist, sondern als Pflichtaufgabe deklariert wird.“ Das ist eine Forderung, die zuletzt auch einhellig von allen Kulturverbänden des Landes, angeführt vom Landesmusikrat, formuliert wurde. Man wünscht sich ein „Kulturfördergesetz“, was zur Konsequenz haben soll, dass die Ausgaben für die Kultur ihren Makel „freiwillige Leistungen“ verlieren. Sie sollen vielmehr zu Pflichtaufgaben der Kommunen werden, die ja den Löwenanteil bei der Finanzierung der kulturellen Institutionen zu tragen haben, angefangen von den Bibliotheken über die Theater bis hin zu den Museen. In Sachsen ist das seit einiger Zeit so, wodurch natürlich mitnichten mehr Geld für die Kultur vorhanden ist. Aber sollte ein Kämmerer einer finanziell in Not geratenen Kommune sparen müssen, so ist er dadurch im Freistaat wenigstens nicht mehr gezwungen, den Rotstift zuerst bei der Kultur anzusetzen. Die Forderung der Kulturverbände hat sogar den Bezirksverband Pfalz aufgescheucht, der etwas zeitverzögert per Pressemitteilung verkünden ließ: „Kultur ist notwendiges Lebensmittel und nicht verzichtbare freiwillige Leistung.“ Apropos Lebensmittel: Zumindest Häppchen gab es auch beim Treffen der geheimnisvollen Kulturallianz in Mainz. Sonst war nicht allzu viel über die Hintergründe zu erfahren, außer vielleicht, dass die Landespolitik lediglich durch Julia Klöckner vertreten war. Ob das nun der Kultur im Land geholfen hat oder gar in Zukunft helfen wird, ist abschließend noch nicht zu entscheiden. Am 13. März vielleicht mehr dazu.

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