Kaiserslautern Gregor, Karl und Richard

Gregor Gysi ist ja bekanntlich Fraktionsvorsitzender der Linken und als solcher zumindest auch mitverantwortlich für eine Art Comeback von Karl Marx in unserer Lebenswirklichkeit. Zunächst taufte er mit Verweis auf den Vornamen des deutschen Manifest-Verfassers ein unschuldiges Löwenbaby auf den Namen Charly Gin – womit die Alkoholiker-Karriere der Wildkatze im Grunde vorgezeichnet ist. Aber die Präsenz von Charly Marx war ja bereits früher zu beobachten, schließlich hat der vielleicht künftige Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, natürlich wie Gysi von den Linken, mit einer Karl-Marx-Büste im Schlepptau Wahlkampf gemacht. Für Platz eins bei der Landtagswahl reichte das zwar nicht, aber zusammen mit Grünen und SPD hat es zu einer satten Ein-Stimmen-Mehrheit geführt, die nun den Klassenkämpfer in die Erfurter Staatskanzlei bringen soll. Die putzige Marx-Skulptur an Ramelows Seite stammt übrigens von Ottmar Hörl, und der hat dem Anwalt Gregor Gysi damit zugleich auch eine goldene Brücke für einen zumindest publikumswirksamen Nebenverdienst gebaut. Normalerweise rümpft man als Linker bei Bayreuth ja eher die Nase. Nicht nur, was die ideologische Ausrichtung der dortigen Festspiele betrifft, sondern eben auch, weil man als Vorzeige-Linker Überzeugungsskeptiker gegenüber aller großbürgerlichen Hochkultur zu sein hat. Und wo bitte hat sich der Größenwahn der bürgerlichen Hochkultur stärker verwirklicht als in Richard Wagner und seinem Bayreuther Festspielunternehmen? Man hätte also annehmen dürfen, dass ein Mann von der aufrechten Gesinnung eines Gregor Gysi einen weiten Bogen um alles gemacht hätte, was mit der Familie Wagner zu tun hat. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall: Er vertritt als Rechtanwalt künftig sogar einen Teil dieser Familie – im möglichen Streit gegen einen anderen, das Festspielunternehmen auf dem Grünen Hügel leitenden Familienzweig. Der rote Anwalt wird die Interessen von Nike, Daphne und Wolf-Siegfried Wagner wahren, die allesamt als Kinder des ehemaligen Festspielleiters Wieland Wagner Ur-Ur-Enkel des Bayreuther Meisters sind. Man kennt die Geschichten aus der fränkischen Provinz ja, von den ewigen Streitereien zwischen den Clan-Mitgliedern, von Hausverboten und heftigen Auseinandersetzungen um das Erbe. Dass Gysi sich genau darauf nun einlässt, zeugt zumindest nicht von mangelndem Selbstbewusstsein. Sollte der Rechtsanwalt Gysi künftig mal in Bayreuth rein dienstlich unterwegs sein, so könnte ihm manches bekannt vorkommen. Denn jener bereits erwähnte Ottmar Hörl, der die Geburtsstadt Trier mit so vielen kleinen roten Marx-Figuren ausgestattet hat, der hat auch in Bayreuth bereits sein kreatives Unwesen getrieben. Überall in der Stadt verteilt standen und stehen sie rum, die kleinen Wagnerles. Die Ähnlichkeit zwischen den Hörl’schen Versionen von Karl Marx und Richard Wagner ist jedenfalls frappierend. Vielleicht ist sie sogar gewollt, schließlich war Richard Wagner, ehe er zum Ziehsohn eines Märchenkönigs wurde, ein ziemlich wilder Revolutionär, der auch vor Straßenkämpfen nicht zurückschreckte. Diese Vergangenheit des Komponisten sollte Gysi auch dabei helfen, sein Wagner-Engagement in der eigenen Partei zu erklären.

x