Kaiserslautern Gelbe U-Boote im Sound-Ozean
Warum spielte bei „Yesterday“ lediglich der Beatle Paul McCartney, und wieso verhalf ein strenger Sportlehrer der Band Lynyrd Skynyrd zu ihrem Namen? Diese Geheimnisse und viele Geschichten mehr, die sich hinter der Entstehung von berühmten Popsongs verbergen, verriet SWR1-Musikexperte Werner Köhler am Sonntagabend im SWR-Studio in der großartigen Show „SWR1-Hits und Storys“ vor 300 begeisterten Zuhörern. Begleitet wurde er von der Band Pop-History, die die Songs authentisch rüberbrachte.
Gänsehaut von Anfang an. Ist das wirklich Phil Collins persönlich, der sich durch den abgedunkelten Saal auf die Bühne schleicht und eine spannungsgeladene Stimmung aufkommen lässt? Emotionsgeladen ist die Stimme von Peter Kühn, sie besitzt eine gewisse rotzige Frechheit. Charakteristisch ist der Schlagzeug-Sound von Tim Kosack mit den machtvollen übereinander gelagerten Drum-Beats, und punktgenau kommen die mitreißenden Bass-Drum-Wirbel von „In The Air Tonight“. So kann es weiter gehen. „Als ich im Alter von neun Jahren zum ersten Mal eine Beatles-Platte hörte“, erzählt Werner Köhler, „erlag ich auf Anhieb der Faszination dieser Musik.“ Mit seinen Geschichten über große und bahnbrechende Künstler wie David Bowie, Elvis Presley oder Janis Joplin und Storys über bekannte Songs versteht er es glänzend, seine Faszination auf die Hörer zu übertragen. Emotional berührend ist aber auch, wenn der Mann mit dem riesigen musikalischen Gedächtnis von David Bowie erzählt, wie er 1967 vor 100.000 Fans in Berlin ein Konzert gab und von der Bühne aus gleichzeitig beobachten konnte, wie über der Mauer junge Zuhörer von der Volkspolizei der DDR verprügelt wurden. Wir erfahren von Elvis Presley, der an seinem zehnten Geburtstag unbedingt ein Gewehr haben wollte, stattdessen aber eine Gitarre für 7,95 Mark bekam, sie nach dem Rhythm’n’Blues von Ghetto-Idolen stimmte, von ihr verzaubert war und damit seine ersten großen Erfolge feierte. Da Elvis einen seiner größten Erfolg „Are You Lonesome Tonight“ nachts um vier Uhr flach auf dem Boden liegend aufnahm, um die richtige Stimmung nachfühlen zu können, muss sich auch Peter Kühn flachlegen und im Dunkeln den Song intonieren. Die Ähnlichkeit mit dem „Alptraum des schlechten Geschmacks“, wie Elvis von manchem Pressekollegen tituliert wurde, ist verblüffend. Wir erfahren weiter vom erschütternden Zerfall des Pink Floyd-Sängers und Leadgitarristen Syd Barrett, dessen Part David Gilmour übernahm. Atmosphärisch das gleißende Licht und die ineinander fließenden Farben der Multimedia-Show auf der Großleinwand. Fantastisch die singende, jaulende und perkussiv gebrauchte Gitarre von Matthias Schärf, während Uwe Grau als Gilmour in „The Wall“ die ganze Wut über das englische Schulsystem rausbrüllt. Mit Staunen vernimmt man ebenso, dass McCartney den Song „Yesterday“ im Traum komponiert hat, den Uwe Grau mit berührender Zartheit in der Stimme intoniert. Peter Kühn hechelt in „Crazy Little Thing Called Love“ von Queen mit charakteristischem Overdrive à la Freddie Mercury, schwelgt mit facettenreicher Gospelstimme in Joe Cockers „With A Little Help From My Friends“ und mündet in einem schrillen Urschrei, während die Band einen Ozean-Sound erzeugt, der alle von den Sitzen reißt. Und mit musikalischer Feinfühligkeit und ungekünstelter Intensität singt er „Don’t You Forget About Me“, das ungeliebte „Adoptivkind“ von den Simple Minds, das sie von ganzem Herzen hassten, obwohl es ihr größter Hit war. Als vokale Flammenwerferin entpuppt sich Helen Forster in „Mercedes Benz“ von Janis Joplin, während sie sich in „The Rose“, das Bette Midler Joplin gewidmet hatte, als ebenso große Diseuse zeigt wie in Led Zeppelins „Stairway To Heaven“. So erlebte das Publikum eine lebendige und authentische Geschichte des Pop und Rock, die umso eindrücklicher war, weil Werner Köhler die meisten Künstler, über die er sprach, persönlich kennengelernt hat. Mit Humor und viel Hintergrundwissen garnierte er seine „Hits und Storys“. Gänsehaut-Effekt inbegriffen.