Fußball Fast wie beim Klassentreffen

RHEINPFALZ-Mitarbeiter Dirk Leibfried interviewt den Torschützenkönig der Stadtmeisterschaft, David Schehl.
RHEINPFALZ-Mitarbeiter Dirk Leibfried interviewt den Torschützenkönig der Stadtmeisterschaft, David Schehl.

Vieles war noch ungewohnt. Kein Wunder, nach dreijähriger, quälender Corona-Pause. Auch RHEINPFALZ-Mitarbeiter Dirk Leibfried musste sich vorsichtig herantasten an seine erste RHEINPFALZ-Stadtmeisterschaft hinter der Bande. Seine Eindrücke und Beobachtungen machen deutlich: Das (Fußball-)Leben geht endlich weiter. Emotionaler als je zuvor.

Kurz nach der Siegerehrung am frühen Samstagabend suchte Moderator Marvin Müller ein ruhiges Plätzchen. Auf der Tribüne, im Halbdunkel der Barbarossahalle, schien die ganze Last von ihm abzufallen. Es war die Erleichterung, ein bisschen aber auch der Stolz auf Geleistetes, das er für einige Minuten mit seiner Mutter teilte. Vorstandsmitglied Müller war es auch, der im Vorfeld der Stadtmeisterschaften die „Erbse-Familie“ so sehr beschworen hatte. Da schwang viel Pathos mit. Doch wer die drei Tage in der Halle aufmerksam verfolgt hat, spürte tatsächlich dieses Zusammengehörigkeitsgefühl und den gemeinsamen Wunsch, die Stadtmeisterschaften nach dreijähriger Zwangspause wieder zu reanimieren.

Die Vorstandsmitglieder waren fest im Helferteam eingebunden. Der Präsident ließ sich in jedem Winkel der Halle sehen, die Jugendleiterin verkaufte belegte Brötchen und der Schatzmeister machte sich als Parkplatzeinweiser nützlich.

Von wegen Wahlkampf

Zwei Wochen vor der OB-Wahl in Kaiserslautern hätte die Barbarossahalle ein willkommener Laufsteg für die Kandidatenriege sein können. Schließlich übertrafen die 850 Zuschauer am Finaltag locker die Resonanz gewöhnlicher Wahlkampfauftritte. Doch weit gefehlt. Öffentliche Veranstaltungen sind ein Balanceakt für Direktkandidaten, die zwar Präsenz zeigen müssen, dabei aber nicht aufdringlich wirken dürfen.

Das ist sowohl Beate Kimmel als Vertreterin des Schirmherrn und Oberbürgermeisters Klaus Weichel gelungen, als auch ihrer Mitbewerberin Anja Pfeiffer als der für den Sport in Kaiserslautern zuständigen Dezernentin. Beide Kandidatinnen hielten sich vornehm zurück und überließen den Fußballern den Applaus. Sämtliche Befürchtungen der Veranstalter, die Barbarossahalle könnte zur Wahlkampf-Arena umfunktioniert werden, lösten sich schnell in Luft auf.

Rauer Wind auf dem Parkett

Ein bisschen erinnerten die 42. Stadtmeisterschaften an ein Klassentreffen. Die Menschen auf den Tribünen der Barbarossahalle und im Foyer hatten sich lange nicht gesehen, erkannten einstige Bekannte erst auf den zweiten Blick und waren doch sehr schnell wieder vertraut miteinander. Corona, das Biest, hat uns verändert. Zumindest älter geworden sind wir. Aber auch nachdenklicher? Demütiger? Mitnichten.

Das haben auch die Schiedsrichter zu spüren bekommen. Es wehte ein rauer Wind auf dem Parkett, in jedem Spiel war höchste Konzentration auf Seiten der Unparteiischen gefragt. „Ich habe die Stadtmeisterschaften noch nie so hektisch erlebt“, bilanzierte Florian Benedum, der zum siebten Mal bei dem Turnier als Schiedsrichter dabei war, den Verlauf. Im ersten Halbfinale kam es dann sogar zu einem Spielabbruch. Unrühmlicher Höhepunkt nennt man das wohl, wenn Ehrgeiz in Verbissenheit umschlägt.

Dass die vor wenigen Jahren an die Futsal-Variante angepassten Hallenfußball-Regeln noch nicht jedem Trainer und Spieler geläufig sind, hat die Vorrunde offenbart. So darf ein vom Torwart gespielter Ball erst dann wieder zu selbigem zurückgespielt werden, wenn in der Zwischenzeit ein gegnerischer Spieler am Ball war. Das hat dazu geführt, dass ein Torwart voller Ehrfurcht vor den Regeln einem verbotenen Rückpass lediglich nachschaute, anstatt ihn zu stoppen. Mehr als ein Freistoß am Kreis gegen seine Mannschaft hätte er dabei nicht zu fürchten gehabt.

Billard für Straßenkicker

Übrigens gelten längst nicht alle Futsal-Regeln auch beim Hallenfußball. Es ist das Spiel mit der Bande, das nicht nur den Unterschied, sondern den besonderen Reiz ausmacht. Versierte Kicker bauen die Spielfeldbegrenzung in ihr Spiel mit ein, nehmen bei Vorlagen oder Torschüssen den Umweg über die Bande. Billard für Straßenkicker. Und der eindeutige Beleg dafür, dass technische Raffinessen nicht allein dem Futsal vorbehalten sind.

Einer, der mit feiner Technik und jeder Menge Kabinettstückchen auf sich aufmerksam machte, war Morlauterns Youngster David Schehl. Mit dem Kicken begann der heute 20-Jährige in seinem Heimatdorf Rodenbach, ehe er die Kaderschmiede beim FK Pirmasens durchlief. Nach eineinhalb Jahren in Steinwenden will er nun ein neues Kapitel aufschlagen. Seine Stärken sieht David Schehl auf dem Flügel oder auf der 10er Position. „Offensiv kann ich eigentlich alles spielen, außer Mittelstürmer“, schmunzelt der gerade mal 1,70 Meter große Techniker, der seinen Dribblings durch ein hohes Tempo zusätzliche Effektivität verleiht. Aber David Schehl glänzte nicht nur als Torschütze, sondern auch als Vorlagengeber. Eine weitere Stärke des frischgebackenen Abiturienten, der im April ein Probesemester an der Uni antreten wird. Die „Probezeit“ beim Oberligisten Morlautern hat er bei den Stadtmeisterschaften bereits fulminant eingeläutet.

Legendäre Zuschauer

Am Eröffnungstag tauschte sich David Schehl auf der Tribüne minutenlang mit Vater Stefan aus. „Er ist schon so etwas wie ein Mentor für mich“, hält der Filius große Stücke auf das Urteil des ehemaligen Bundesliga-Profis. Anfang der 1980er stand Stefan Schehl gemeinsam mit Legenden wie Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge im Kader des FC Bayern München.

Zu dieser Zeit hatte Sepp Stabel, der ehemalige Torhüter des 1. FC Kaiserslautern, gerade seine Karriere beendet. Der heute 74-Jährige verfolgte den Finaltag gut gelaunt von der Tribüne aus. Es war ein freudiges Wiedersehen nach mehrmonatiger Reha, bei dem Stabel jede Menge Hände schütteln musste. Wie war das noch mal mit dem Klassentreffen?

Zur Eröffnung des dreitägigen Turniers hatte der langjährige Turnierorganisator Herbert Kuby den Staffelstab an Mario Diehl weitergegeben. Zur Verabschiedung Kubys gab es ein Erinnerungsfoto, ein Trikot – und auch die ein oder andere Träne. Stolz und sichtlich gerührt trat der 75-Jährige zum vorerst letzten Mal von der Bahnsteigkante der Stadtmeisterschaft zurück. Mit Mario Diehl hat er seinen Nachfolger selbst „ausgebildet“. Und einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Als am Finaltag durch die Verlängerung der Spielzeit der Turnierplan etwas aus den Fugen geriet, musste Diehl an seinen Vorgänger denken: „Verspätungen im Spielplan hat Herbert gehasst.“ Kein Wunder, war dieser doch als Bahnbeamter ein Ausbund an Gewissenhaftigkeit. Damals, als die Züge noch pünktlich fuhren und man sich auf die Bahn jederzeit verlassen konnte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

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