Kaiserslautern Event-Charakter zwischen Bergidyll und Seezauber

Auf dem weltberühmten Jazzfestival in Montreux trifft man seit 14 Jahren einen Gast aus der Westpfalz immer wieder: den Kaiserslauterer Bandleader und Saxophonisten Jens Vollmer. Bereits zweimal (2002 und 2007) spielte er selbst mit seiner Erfolgsformation Brass Machine auf dem Festival. In diesem Jahr war er zwar erneut eingeladen, musste jedoch aus terminlichen Gründen passen. Darüber und über seine Erfahrungen als Zuhörer sprach RHEINPFALZ-Kulturredakteur Fabian R. Lovisa mit Jens Vollmer am Rande des Festivals auf einer Art Weinfest im benachbarten Vevey – passend für einen Musiker aus der Pfalz.

Herr Vollmer, geht es Ihnen trotzdem gut?

Wie – trotzdem? Naja, Sie hätten ja spielen können mit Ihrer Band Brass Machine auf dem diesjährigen Jazzfestival. Sie hatten ja eine Einladung... Ja, wir waren für ein Konzert auf einem der Jazzdampfer angefragt. Das wäre sicher auch spannend geworden. Aber wir haben abgelehnt, da wir an diesem Tag bereits gebucht waren für den „Musikalischen Sommer“ im Rockenhausen. Und die Rockenhausener haben uns auch entschädigt mit einem wirklich tollen Konzert in der Donnersberghalle vor über 1000 Zuschauern. Trotzdem: Der dritte Auftritt in Montreux – das wäre ja bald sowas wie eine Tradition geworden... ... das stimmt. Und „Back to Montreux“ wäre ja auch wirklich schön gewesen. Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir haben ja die Kontakte und bleiben dran. Vielleicht klappt es ja im kommenden Jahr oder dann 2016 zur Jubiläumsausgabe, zum 50. Montreux Jazzfestival. Wir hatten ja schon einmal eine Anfrage, die wir ablehnen mussten, damals zur 40. Ausgabe. Warum haben Sie damals abgewunken? Die Anfragen aus Montreux kommen immer recht kurzfristig, und wir hatten schon ein Open-Air in Phillipsburg zugesagt. Das wurde dann allerdings wieder abgesagt... Kommen wir zur diesjährigen Ausgabe des Festivals: Was haben Sie an Top-Acts mitbekommen? Stevie Wonder wurde ja als Top-Act überhaupt gehandelt. Er hat sich allerdings in ein Fahrwasser gewagt, das andere besser beherrschen. Er wollte eher experimentell arbeiten, hat aber da nicht die Qualität gebracht wie etwa ein Herbie Hancock oder ein Wayne Shorter. Eine positive Entdeckung habe ich im Auditorium Stravinski (die größte Hauptspielstätte des Festivals, d. Red.) noch ganz zum Schluss machen können: Der Sänger -M- ist in seiner Heimat Frankreich wohl so etwas wie Herbert Grönemeyer in Deutschland: Er füllt ganze Stadien. -M- machte am letzten Festivalabend eine unglaubliche Stimmung, er ist eine Rampensau ohne Ende. Aber wie Grönemeyer in Frankreich eher unbekannt ist, kennen wir -M- in Deutschland nicht. Schade eigentlich! Sie haben sich jedoch nicht nur auf den großen Bühnen umgesehen. Was ist Ihnen auf der Fanmeile, auf den Gratis-Bühnen aufgefallen? Da ist zunächst mal Maceo Parker zu erwähnen – er hätte auch gut und gerne drinnen auf einer Hauptbühne auftreten können. Die Organisatoren werten mit Größen wie ihm den Gratis-Bereich deutlich auf. Parker hat von Anfang an eine tolle Party-Stimmung erzeugt. Und am Tag vorher kam er zu Van Morrison auf die Bühne. Da er nicht auf der Besetzungsliste stand, war das wohl ziemlich spontan. Das sind eben genau die Momente, die das Montreux-Jazzfestival ausmachen. Was haben Sie sonst noch im Nischenbereich erleben können? Es ist immer interessant, sich ungewohnten Musikstilen zu stellen: beispielsweise elektronischen Geschichten wie „Rocky“ im Jazz-Lab (dritte Hauptspielstätte, d. Red.). Wenn man sich erst mal reingehört hatte, kam das ganz gut rüber. Punkiges gehört auch dazu? In der Tat habe ich mir Pete Doherty und seine Babyshambles angehört, eine Musikrichtung, die ich eigentlich weniger verfolge. Aber in meiner Jugend habe ich durchaus Punk gehört – denken Sie nur an die legendäre Lauterer Walter Elf. So gesehen war Doherty sowas wie eine Jugenderinnerung (lacht)... Sie kommen seit 14 Jahren an den See, haben einmal ausgesetzt und 13 Festivalausgaben verfolgt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung? Die ganze Szene ändert sich. Das Problem ist: Die Künstler müssen heute mit ihren Konzerten Geld verdienen. Früher haben sie das noch mit Plattenverkäufen getan, die aber stark rückläufig sind. Vor 20 Jahren waren Konzerte noch eher für die Promotion wichtig. Damals war es für Orte wie Montreux mit begrenzten Kapazitäten noch leichter, große Namen zu bekommen. Heute müssen sie sehen, wie sie das finanziert bekommen. Diese Tendenz deutete sich übrigens schon in den letzten Jahren unter Claude Nobs (Gründer und 2013 verstorbener Leiter des Festivals, d. Red.) an, als das Festival rote Zahlen schrieb. Man steuerte unter anderem mit der Veröffentlichung des Archivs dagegen. Wie kann es da weitergehen? Festivals wie das in Montreux leben leider immer mehr vom Event-Charakter. Sie müssen verstärkt Sponsoren gewinnen und ein Publikum anziehen, das mit einem Jazzfestival nicht mehr viel zu tun hat. Das ist ja eine ähnliche Entwicklung wie beim Fußball: teure Karten, Verköstigung, Firmen-Events und -Networking... Der eigentliche Grund der Veranstaltung bleibt da schon ein Stück weit auf der Strecke – sei es die Musik oder der Sport. Das klingt nach einem Abgesang. Werden Sie das Festival dennoch weiter als Zuhörer verfolgen? Klar. Diese Entwicklung ist ja überall zu verfolgen. Da müsste ich ja aufhören Musik live zu hören (lacht)... Und es gibt ja nach wie vor diese starken Momente beim Festival, wo die Musik einen einfach fesselt und mitnimmt. Außerdem gibt es neben dem Festival ja auch noch das Drumherum... ... der Genfer See ist eine wunderschöne Umgebung, die sicher dazu beigetragen hat, dass das Festival so berühmt und erfolgreich wurde. Neben den Musikfans genießen auch die Künstler das Ambiente zwischen Bergen und See, zwischen Einsamkeit, beschaulichen Dörfern und betriebsamen Städtchen wie hier in Vevey oder eben in Montreux selbst. Gerade gestern hat Sängerin Skye Edwards von Morcheeba das ja wieder zwischen zwei Songs gesagt: Wie schön hier die Aussicht und überhaupt die Umgebung sei. Und wer hier gerade in Urlaub ist und wer Einheimischer, wollte sie wissen – übrigens ein uralter Publikumstrick, der über das Zugehörigkeitsgefühl eine emotionale Reaktion hervorruft. Sie sind ja auch dem Reiz der Umgebung verfallen – was schätzen Sie besonders? Man kann hier vieles machen: vom Bergwandern bis hin zum Badeurlaub. Über allem thront der Hausberg, der Rochers de Naye, mit über 2000 Metern Höhe. Eine alte Zahnradbahn fährt von Montreux bis ganz nach oben. Der See ist in den Sommerwochen, gerade bei Temperaturen wie zur Zeit, eine willkommene Abkühlung. Wer möchte, kann in Montreux und Vevey auch shoppen – von der kleinen Boutique bis zum großen Modecenter ist Vielfalt geboten. Und dann gibt es die vielen kleinen Veranstaltungen wie diesen Folkloremarkt hier in Vevey. Immer samstags an den Sommerwochenenden findet er statt, und man kann hier bei regionalen Winzern probieren und dabei verschiedenste Musikgruppen erleben – vom Blasorchester bis zur Alphorngruppe. Im vergangenen Jahr waren daneben auch Fahnenschwenker dabei, jetzt sind es Volkstänzer, die in Tracht antreten. Sie verkosten gerade einen der regionalen Weine – wie ist er im Vergleich zu Pfälzer Produkten? Also der Rote, den ich jetzt im Glas habe, ist durchaus trinkbar, auch wenn mancher pfälzische Dornfelder oder Spätburgunder mindestens genauso gut ist. Und der Weiße, den ich vorher hatte – ganz ehrlich: Da wär’ mir ein Pfälzer Grauburgunder lieber gewesen. Wir müssen uns mit unseren Weinen also nicht verstecken – ganz im Gegenteil. Ich danke fürs Gespräch. (faro)

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