Kaiserslautern Erste Queerbeauftragte der Pfalz: „Dringend sichere Räume schaffen“

Nadja Roeder beim Stammtisch der „Queerulant*innen“ in Kaiserslautern.
Nadja Roeder beim Stammtisch der »Queerulant*innen« in Kaiserslautern.

Nadja Roeder ist die erste Queerbeauftragte der Stadt Kaiserslautern und die erste Person in dieser Funktion in der Pfalz. Die Schaffung der ehrenamtlichen Stelle war im Stadtrat heiß diskutiert worden. Roeder hat Juni Huber im Interview erklärt, warum die Stadt eine solche Stelle braucht, was sie vorhat – und was sie von einer dritten Toilette hält.

Frau Roeder, warum braucht Kaiserslautern eine Queerbeauftragte?
Weil Diskriminierung von queeren Menschen immer noch sehr oft vorkommt. Mit queeren Menschen sind beispielsweise schwule, lesbische, trans- und intergeschlechtliche Menschen gemeint und alle weiteren, die sich zugehörig sehen. Diese Menschen erleben immer noch viel Hass und Ausgrenzung. Da gilt es zu schauen, wie man die Menschen vor Ort unterstützen kann, sodass niemand Angst haben muss, seine sexuelle oder geschlechtliche Orientierung frei zu leben.

Haben Sie konkrete Beispiele?
Dass zum Beispiel gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern nicht als Familie anerkannt werden, wenn es um Ermäßigungen bei Eintrittskarten geht. Oder dass unsere diverse Realität nicht repräsentiert ist in Kinderbüchern und anderen Materialien, die im Kindergarten verwendet werden.

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Sie sind sowohl Initiatorin als auch erste Amtsträgerin als Queerbeauftragte der Stadt Kaiserslautern. Was ist denn ihre persönliche Motivation?
Das waren Vorfälle im privaten Umfeld, die mich 2019 dazu bewegt haben – damals noch als Mitglied des Jugendparlaments –, die Schaffung dieser Stelle zu beantragen. In meinem Freundeskreis wurden Leute hier in Kaiserslautern nach dem Feiern angegriffen und queerfeindlich beschimpft. Das hat mich bis ins Mark erschüttert und mir Angst gemacht. Ich möchte es schaffen, dass es den Menschen bewusst wird, dass solche Taten Folgen haben, und ich möchte dafür kämpfen, dass sowas nicht mehr passiert.

Sie haben Ihre Tätigkeit Anfang April aufgenommen …
Ja, allerdings habe ich noch kein Büro. Ich kann künftig bei Katharina Disch, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Kaiserslautern, Räumlichkeiten nutzen. Dort werde ich stundenweise einen Arbeitsplatz haben. Den einen oder anderen Termin habe ich natürlich schon wahrgenommen.

Es wurden jetzt in den ersten 14 Tagen im Amt aber noch keine Fälle von Diskriminierung an Sie herangetragen?
Da ist das Problem, dass ich noch nicht richtig erreichbar bin. Wer mich dringend erreichen will, kann das über die Gleichstellungsstelle tun, das wird dann an mich weitergeleitet.

Wann wird man Sie denn direkt erreichen?
Ab Mai habe ich einen Zugang zum Büro und voraussichtlich auch eine Telefonnummer und E-Mail-Adresse.

Was werden Sie jetzt als Erstes machen?
Es ist zum Beispiel geplant, dass ich Kindergärten, Kindertagesstätten, aber auch Seniorenheime – es gibt ja auch queere Senioren – besuchen und mir ein Bild machen werde. Auch bestehende Angebote wie das „Schlau“-Projekt für Bildung und Schulaufklärung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt möchte ich natürlich unterstützen und fördern. Ich war jetzt auch gerade beim Stammtisch der „Queerulant*innen“, der hier in Kaiserslautern einmal monatlich stattfindet. Anlässlich des Idahobit – des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie am 17. Mai – werde ich zu Veranstaltungen kommen und auch beim Kinder-Altstadtfest im September dabei sein, wo ich auf Vielfalt in der Kinderliteratur aufmerksam machen und über Geschlechterrollenklischees sprechen möchte, die über Kinderspielzeug vermittelt werden.

Wie wird Ihre Arbeitsweise aussehen?
Ich bin ja die erste Queerbeauftragte hier in Kaiserslautern …

… und auch pfalzweit …
… ja, und tatsächlich hat Kaiserslautern es geschafft, vor Berlin eine queerbeauftragte Person zu bekommen! Und weil ich keine Vorgängerin, keinen Vorgänger habe, gibt es auch niemanden, der sagt: Mach das weiter, was ich angefangen habe. Ich muss jetzt erstmal schauen, wie ich mich vernetzen kann. Ich habe viele Ideen, möchte als Sprachrohr für die queere Gemeinschaft fungieren: beim Stadtrat und der Stadtverwaltung und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Kaiserslautern. Ich möchte präsent sein bei Veranstaltungen und repräsentieren. Und ich möchte natürlich auch den Finger in die Wunde legen, wenn ich merke, dass irgendwo etwas queerfeindliches, transfeindliches, homofeindliches vorkommt. Ich muss schauen, was in den drei Jahren auf mich zukommt und was umsetzbar ist.

Sie werden in Stadtrats- und Ausschusssitzungen dabei sein?
Ich habe Rederecht in den Ratssitzungen.

Sehen Sie Stellen, an denen es dringenden Bedarf gibt?
Eins der dringendsten Anliegen ist es, Räume zu schaffen, sichere Räume für queere Menschen. Dazu gehören im erweiterten Sinn auch gendergerechte Toiletten. Ein weiterer Punkt ist die geschlechtersensible Sprache, da möchte ich der Verwaltung einen Leitfaden an die Hand geben.

Stichwort Toiletten: Sind Sie für eine dritte? Oder eine für alle?
So genau lege ich mich gar nicht fest. Es ist eine ziemlich heiß gekochte Debatte, ich finde es schrecklich, wie die teilweise ausufert und transfeindlich geführt wird. Das ist für mich ein Unding. Toiletten sind Räume, die öffentlich zugänglich und nicht abgeschlossen sind. Ein Schildchen vor einer Toilette hält mich nicht davon ab, in einen Raum hineinzugehen. Soll man da jetzt noch einen dritten Raum schaffen – der auch öffentlich zugänglich ist? Ist man damit dann zufrieden? Oder minimiert man es auf eine Toilette, mit der niemand richtig zufrieden ist? Eine richtig gute Lösung habe ich da auch nicht.

Sie erwähnten vorhin sichere Räume für queere Menschen, haben Sie da schon was im Blick?
Es wäre so schön, wenn wir schon Räume hätten! Vor Ostern hat sich in Kaiserslautern ein Verein gegründet, der sich die Errichtung eines queeren Zentrums in Kaiserslautern zur Aufgabe gemacht hat, angelehnt an eine ähnliche Einrichtung in Mannheim. Das soll möglichst barrierefrei sein und für Menschen aller gesellschaftlichen Schichten zugänglich sein. Da sind natürlich viele Voraussetzungen zu erfüllen: Es müsste möglichst im Zentrum der Stadt sein und finanzierbar. Ein Konzept ist schon ausgearbeitet. Das in meinem Amt zu unterstützen, ist mir ein großes Anliegen.

Zur Person

 

  • Nadja Roeder (24) aus Kaiserslautern hat nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr im theaterpädagogischen Bereich des Pfalztheaters eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten gemacht und dort gearbeitet, bis sie in Mutterschutz und Elternzeit ging, letztere geht nun zu Ende. Ihr ehrenamtliches Engagement begann mit 15 Jahren, als sie einen Nachmittagstreff für Kinder im Kalkofen organisierte.
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