Kaiserslautern Engelrauschen in der Stiftskirche: Die große Spielfreude ist ihr Markenzeichen

Das Engelrausch-Konzert vor Weihnachten in der Stiftskirche ist längst liebgewonnene Tradition. Die Musiker (von links): Martin
Das Engelrausch-Konzert vor Weihnachten in der Stiftskirche ist längst liebgewonnene Tradition. Die Musiker (von links): Martin Wagner (Akkordeon), Hanns Höhn (Kontrabass) und Andreas Neubauer (Schlagzeug).

Übers Jahr nennt sich die Frankfurter Formation noch „Tango Transit“, in der Weihnachtszeit kommt dann der imaginäre Rauschebart dazu und das Trio „mutiert“ zum Engelrausch. Was es mit dieser Bezeichnung und der Jazz-Combo auf sich hat.

Nun, Engelrausch statt Kaufrausch räumt auf mit weihnachtlicher Rührseligkeit, erstarrter Konvention und traditionellen Hörgewohnheiten: Berieselt in Kaufhäusern und den Medien. Man nennt es zwar noch vage und vieldeutig Weihnachtsjazz, doch es ist weit mehr als das: Martin Wagner am Akkordeon zusammen mit Hanns Höhn am Kontrabass sowie der Schlagzeuger Andreas Neubauer haben eine Marktlücke entdeckt und mit lebhaft pulsierendem Leben gefüllt: In der Besetzung vergleichbar mit jener des legendären Jacques Loussier mit seinem „Play Bach – Trio“, nur dieser mit dem Klavier anstelle des Akkordeons von Martin Wagner.

Auch sonst gehen die Frankfurter in der Verwendung der Themenvorlagen aus Winter – und Weihnachtsliedern noch weiter als das vor zwei Jahren verstorbene französische Pendant aus der Provence: Wie Loussier bei Bach und Vivaldi und später bei vielen Klassikern und Romantikern (etwa Schumanns Zyklus „Kinderszenen“) fündig wurde, haben sich die Frankfurter Jazzer ein immenses Repertoire internationaler Weihnachtslieder erarbeitet, die sie aber meistens nur als Basis für eigene Improvisationen nutzen.

Peppiges Gepräge für traditionelle Weihnachtslieder

Gängige verjazzte Fassungen des Genres bearbeiten meist nur die Melodieführung, die mit Synkopen, Schleifern, ternärem Swing – Feeling oder mit Bossa – und Tangorhythmen dem traditionellen Weihnachtslied ein anderes, peppiges Gepräge geben. Hier „dockt“ nun die Formation mit ihrem Weihnachtsjazz – Projekt „Engelrausch“ erst so richtig an: Andere, erweiterte Harmonien, rasante Rhythmen im elektrisierenden Double-Time und ständiges Verlagern der Melodieführung zwischen Akkordeon und Kontrabass bewirken immer wieder neue Impulse und Klangreize. Kurz gesagt: „Engelrausch“ ist keine Musik für nostalgische Ohren, dient nicht unbedingt der Kontemplation und Meditation, sondern ist für Neugierige gedacht, die ständig auf Entdeckungsreise gehen.

Lebhaft pulsierend, rasant und brillant und dazu im ständigen Wechsel der Impulsgeber, das ist das, was das Trio von sich aber auch von seinem Publikum abverlangt: Kaum hat man Weihnachtsklassiker wie „Ihr Kinderlein kommet“ oder „Maria durch ein Dornwald ging“ einige Takte lang entdeckt, werden solche bekannte Melodien wieder aufgelöst, neu zusammengesetzt oder bis zur Unkenntlichkeit umgestaltet.

Großes Fanpublikum in der Stiftskirche

Ein Markenzeichen dieser Formation ist die große Spielfreude, die inzwischen ein großes Fanpublikum in der Stiftskirche hat: Seit 2007 gastiert diese Combo ständig bei der Citykirche als Veranstalter, letztes Jahr wurde das Programm live gestreamt. Die große Fangemeinde würdigt, dass Martin Wagner sein Akkordeon mit selten so gehörter Virtuosität und Vielseitigkeit meisterhaft spielt und dabei bei extremen Temposteigerungen keine Grenzen zu kennen scheint. Ebenso definiert Hanns Höhn seinen Basspart völlig neu: Es hält ihn nicht bei stereotypen Bassfloskeln und rhythmisch – harmonisch stützenden Aufgaben: Im Wechsel zwischen gestrichen (arco) und gezupft (pizzicato) übernimmt er auch die Melodieführung und „wandert“ auf dem riesigen Griffbrett bis in höchste Lagen des Daumenaufsatzes hinauf. In dieser auftrumpfenden Form gehört er zweifellos mit zu den besten Jazz-Kontrabassisten seines Fachs.

Über Schlagzeuger gibt es mit die meisten Anekdoten und Musikerwitze: „Ist er dabei – stört er; spielt er nicht – fehlt er!“ Dieser bekannte Ausspruch charakterisiert das Spannungsfeld dieser Percussionisten deutlich. Beim „Engelrausch“ verkörpert Andreas Neubauer dagegen den Idealfall eines meist dezent aber wirkungsvoll im Klanghintergrund agierenden Pulsschlags, der aber bei Pausen oder Zäsuren sowie Überleitungen geschickt mit Breaks und rhythmischen Varianten auflockert. Zudem kann er den Überschwang musikantischer Spielfreude der beiden Mitspieler souverän und mit seismographischem Gespür ausgleichen.

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