Kaiserslautern Ein Stück Pop-Art-Geschichte

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Er ist einer der letzten noch lebenden US-Amerikaner der ersten Stunden der Pop-Art-Historie: James Francis Gill. Gerade beginnt er eine Ausstellungsreihe in fünf deutschen und Schweizer Städten. Der Zuschlag zur ersten Vernissage ging an das Ladengeschäft Jung Kunst+Galerie. Donnerstagabend war es soweit samt Künstler, der eigens aus Texas anreiste – trotz seines Jahrgangs 1934.

„What a weather“, strahlt Francis Gill zum blauen Himmel über Lauterns Dächern. Es sei, so fügt er lachend an, pures Texaswetter, richtig zum Zuhausefühlen. Tatsächlich saß der Künstler erstaunlich frisch und erholt nach der mittäglichen Landung am Frankfurter Flughafen im dritten Stock unterm Dach der Fackelstraße 30. In Jeans und seinem Markenzeichen, dem Cowboy-Hut, gibt er sich gar jungenhaft texanisch. Kaum glaublich, sein Alter. Um ihn herum, verteilt auf drei Räume, 33 handsignierte Serigraphien und sechs Unikate, darunter Blätter, die erstmals zu sehen sind. Trotz plakativer Verfremdungen über Farbkonstellationen bis hin zu surrealen Bildkompositionen schauen den Betrachter leicht erkennbar Ikonen aus Auto-, Musik- und Filmwelten an: Beatles, John Wayne, Jacky Kennedy und zig-fach MM – Marilyn Monroe in bildhaften Varianten, die der Maler Gill sowie der Pop-Art-Künstler Gill kreierten. Denn eines unterscheidet diesen Mann von Warhol, Lichtenstein, Rauschenberg und anderen seines Metiers eindeutig: Gill ist der klassische Maler, seine Kollegen eher aus der Werbe- und Reklamebranche. Gefragt, was ihm Kritiker und Kunstsammler zugute halten, zitiert er ein besonders „nuanciertes Farbspektrum“, welches seine Bilder vom Unikat bis hin zum perfekten Siebdruck auszeichnen. Was Letzteren betrifft, weiß Gill den „world-wide“-Besten in Deutschland, genauer in Echterdingen. Dort lebt und arbeitet Hans-Peter Haas, nur ein Jahr jünger, und praktiziert mit rund 50-jähriger Erfahrung. Ist der erste Blick auf Pop-Art Bilder typischerweise kurz, wie es den plakativen Elementen eigen ist, so offenbart der zweite, der genaue, der Details studierende einen ungeahnten Reichtum malerischer Feinheiten. Beispielsweise die Machart der Hintergründe, jene wie unscharf schraffierten Flächen kombinierter Farben. Oder die Rot-Tonpalette. Vier Versionen ins Gelb bis ins Violett allein in einem Motiv. Seine Anfänge sieht Gill bereits in Kinderjahren. Ständiges Zeichnen, Malen, Pinseln ab fünf Jahren. Irgendwann entdeckte der Junge Wachsmalstifte und deren Wirkung, die plakativem Arbeiten bereits nahe kommt. Doch zunächst betätigte er sich als Bauzeichner eines Architekten, studierte danach Architektur-Design, und erst dann entschied er sich für eine Laufbahn als Maler. Der Stichtag seines Erfolges liegt im Jahr 1962. Da zog er nach Los Angeles. Im Gepäck Kunstwerke. Aus jener Zeit erzählt er gern die Geschichte, dass er sie in der Felix-Landau-Gallery zunächst in einer Ecke platzierte, der Galerist sie entdeckte und prompt aufnahm. Die Annahme seines dreiteiliges „Marilyn-Triptych“ im gleichen Jahr in die ständige Sammlung des Musee of Modern Art in New York gilt als Durchbruch zur internationalen Anerkennung. Die Jahre danach bestimmen politische Botschaften. Die Dreier-Reihe „Peace“ jener Jahre ist als aktueller Siebdruck ausgestellt. Die Farbverläufe Blau-Grün scheinen sich im malerischen Duktus auflösen zu wollen, während Restflächen plakative Gegenstände kulminieren. Die Bildlegenden dazu lauten: Das zentrale Thema des kunsthistorischen Vermächtnisses des Künstlers beschreibt erstens gesellschaftliche Verwerfungen unserer Zeit, zweitens Zensur und Meinungsfreiheit sowie drittens eine Welt ständiger Terrorismusgefahr. 1972 erfuhr Gill eine Zeit der Unfähigkeit, die bis 1987 beziehungsweise 2010 andauern sollte. Mittlerweile selbst eine Ikone, sagt er: „Ich bin Maler und kann den Morgen nicht abwarten, bis ich endlich im Atelier bin.“ Ausstellung... ... bis 24. September während der Ladenöffnung in der Fackelstraße 30.

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