Kaiserslautern Ein Job, „der kein Erbarmen kennt“: Früherer Pfalztheater-Intendant Wolfgang Blum gestorben
Wann immer ich Wolfgang Blum in den vergangenen Jahren anrief, gab er zunächst scherzhaft zu Protokoll: „Ich lebe noch.“ Schon seit 2007 lebte der einstige Intendant des Pfalztheaters mit seiner Frau Annemarie in einem Seniorenheim in Nordrhein-Westfalen. Am Telefon war er bis zuletzt hellwach und aufgeschlossen, sehr interessiert am Spielplan des Lauterer Theaters, bestens informiert übers Kulturgeschehen im Rheinland wie in der Pfalz. Und stets schwärmte er von den erfolgreichen Jahren an der Lauter.
In einer turnusmäßigen Rede zur Saisoneröffnung stellte Wolfgang Blum einmal fest, dass „der Beruf eines Theatermanns kein Erbarmen kennt“. Es gebe nur eine einzige künstlerische Betrachtungsweise, „nämlich die punktuelle des jeweiligen Abends“. Dass sich das Lauterer Publikum dennoch bis heute an seine Amtszeit erinnert, spricht für sich und vor allem für ihn.
„Arbeit mit dem kostbarstem Material“
Trotz seiner erfolgreichen, in der Rückschau von vielen wohl auch ein wenig verklärten Intendantenzeit sah er sich in erster Linie als Regisseur. Der gebürtige Kölner hatte nach der Kriegsgefangenschaft zunächst Theaterwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte studiert. Erste theatrale Praxiserfahrung sammelte er bei Herbert Maisch an den Städtischen Bühnen seiner Heimatstadt, später in Düsseldorf bei Gustaf Gründgens.
Der gab dem Anfänger die Maxime auf den Weg: „Ein Maler arbeitet mit Farbe und Pinsel, ein Steinmetz mit Meißel und Hammer. Sie arbeiten mit dem kostbarsten Material – dem Menschen.“ Dieser Verantwortung hat sich Wolfgang Blum gestellt. Das Wohlbefinden aller Kollegen auf, vor und hinter Bühne lag ihm am Herzen. Über Kiel und Nürnberg sowie diverse Gastengagements kam er nach fünf Jahren in Wiesbaden 1968 als Oberspielleiter ans Nationaltheater Mannheim. Dort profilierte er sich mit der Inszenierung moderner Opern (Egk, Henze, Klebe) ebenso wie im klassischen Repertoire. Seine Version von Puccinis „Madame Butterfly“ kam als Reprise erst vor wenigen Jahren noch einmal auf die Bühne.
Kaiserslautern als „deutsche Musical-Hauptstadt“
Einen „ausgewogenen und originellen Spielplan“ attestierte ihm die RHEINPFALZ, als er mit Beginn der Spielzeit 1971/72 die Leitung des Theaters in Kaiserslautern übernahm. Sein Führungsstil folgte einem selbst definierten „rheinischen Humanismus“. Sein Repertoire fand – überwiegend! – den Beifall des Pfälzer Publikums.
Dem Haus am Fackelrondell gab Wolfgang Blum ein gänzlich neues Profil, indem aufwendig inszenierte und glänzend bis prominent besetzte Musicals auf die Bühne brachte. Broadway-Erfolge wie „Der goldene Regenbogen“, „Anything goes“ und „Girl Crazy“ erlebten an der Lauter ihre Deutschland-Premiere. Um die Aufführungsrechte für die „West Side Story“ zu bekommen, fuhr er eigens zu Verhandlungen mit Leonard Bernstein nach Wien.
„Theater ohne Publikum ist Quatsch“
„Theater zu spielen ohne Publikum ist Quatsch“, sagte er 2023 in einem RHEINPFALZ-Interview. Er strebte ein breites Angebot an – und die Mischung aus Moderne, Klassikern und massenwirksamer Konfektionsware ging fast immer auf. Aber natürlich gab es lautstarke Kontroversen um die „Skandal“-Stücke junger Autoren wie Kroetz, Sperr, Kipphardt, Handke oder Heiner Müller. Wie wenig sich doch Publikum, Feuilleton und Theatermacher in den vergangenen fünf Jahrzehnten verändert haben!
Bei 42 der über 400 Premieren seiner Amtszeit führte Blum selbst Regie. Opernfreunden sind vor allem seine Mozart-, Verdi- und Offenbach-Inszenierungen im Gedächtnis geblieben, doch er verstand sich ebenso auf Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“, Janaceks „Jenufa“ und Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Nicht zu vergessen seine großen Wagner-Aufführungen vom „Fliegenden Holländer“ bis zur „Walküre“ (1971 als Gast am Staatstheater Karlsruhe).
Dozent und Regisseur
Mit seinem Generalmusikdirektor Wilfried Emmert (1930-2023) verstand er sich blind, zumal beide ein Händchen für die Entdeckung und Förderung begabter Nachwuchskräfte besaßen. Als Glücksfall erwies sich auch seine künstlerische Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Wolfgang Hardt (1923-1999). Den am Pfalztheater wirkenden Künstlern schuf Blum Freiräume für ihre Individualitäten, die er zugleich auf die gemeinsam umrissene Linie einschwor. Er ließ Kreativität sich entfalten. Als er sich im Sommer 1988 von Kaiserslautern verabschiedete, wollte Wolfgang Blum eigentlich Ruheständler werden. Doch nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Köln übernahm der Vater dreier Töchter einen Lehrauftrag an der dortigen Musikhochschule.
Als Gastregisseur und bei der Einweihung des (von ihm nachdrücklich und unbeirrbar vorbereiteten) Theater-Neubaus 1995 konnte er erleben, wie treu die Zuneigung des pfälzischen Publikums ist. Anno 2013 kam er letztmalig nach Kaiserslautern, um den Spittelmüller-Preis der „Freunde des Pfalztheaters“ entgegenzunehmen. Am 10. Oktober ist Wolfgang Blum in Brühl „ganz friedlich im Schlaf gestorben“, wie die Familie mitteilt. Er soll in Saarbrücken beigesetzt werden.