Kaiserslautern Ein erotischer Allesfresser

91-95743554.jpg

So düster wie jetzt an der Oper Frankfurt hat man Verdis „Rigoletto“ selten gesehen und so bravourös gesungen selten gehört.

Die Grundlage dafür legt der Dirigent Carlo Montanaro, der die Inszenierung mit schwarzen Orchesterfarben grundiert. B-Tonarten, die von jeher Symbol für das Dunkle waren, dominieren die Partitur, und Montanaro macht wenig Platz für Aufhellung. Straff sind die Tempi, krachend ist das Blech, wie Fremdkörper wirken die beiden Kanzonen des Herzogs, selbst das „La donna è mobile“. Regisseur Hendrik Müller lässt das Stück in einem riesigen Raum spielen (Bühne: Rifail Ajdarpasic), der mit seinen gotischen Bögen und seinen Emporen an eine Kirche erinnert, aber auch an eine verlassene Fabrik, an ein Kellergewölbe, einen dark room, ein wenig vor den Toren der Stadt. Mantua? Eher nicht. Dort trifft sich allabendlich das lichtscheue, abgestumpfte Gesindel der Stadt um das herzogliche Oberhaupt und seine Hofgesellschaft. Dieser ist ein erotischer Allesfresser, aber immer auf der Suche nach Neuem, nach einem Kick. Die körperlich deformierte Adlige ist ihm gleich recht wie die jungfräuliche Bürgerliche: Hauptsache irgendwie ausgefallen. Und wenn der Reiz des Keuschen weg ist, sucht er sich halt eine rothaarige Hure vom Stadtrand. Überzeugend ist er dabei immer, deshalb bekommt er sie alle. Mario Chang singt ihn mit viel Schmelz und Verve. So unschuldig ist die verführte Unschuld aber dann auch nicht. Rigolettos Tochter Gilda, im Heim aufgezogen und jetzt der Obhut des Vaters übergeben, weiß sich zu verstellen, weiß, wie der Vater sie sehen möchte. Von oben fährt sie in einem weißen Container herunter, Kloster- und Gefängniszelle in einem, aber auch realer Ort. Dort hat sie der Vater eingesperrt, lässt er sie bewachen, dort stilisiert er sie zur Heiligen. Und Gilda spielt mit, reißt aber heimlich die Seiten aus dem Gebetbuch. Dass sie sich anstelle des Herzogs töten lässt, hat wohl weniger mit Liebe zu tun, aber mehr mit Enttäuschung und absoluter Ausweglosigkeit. Brenda Rae schafft es, den Spagat zwischen Wahrheit und Verstellung sängerisch umzusetzen. Sie ist provozierender Teenager, liebende Tochter, verliebtes Mädchen in einem, spielt mit den Koloraturen wie mit dem Vater, haucht Piani und schmiegt sich an Legatobögen. Quinn Kelsey singt den Rigoletto mit angerautem, mächtigen und voluminösem Bariton, den er immer auch zurücknehmen kann, der über sich selbst erschrocken scheint, der sich sowohl im Mörder Sparafucile (Önay Köse) als auch im Vater Monterone (Magnús Baldvinsson) wiedererkennt. Hendrik Müller nutzt alle theatralischen Mittel und spielt mit ihnen. Keine Scheu hat er vor pathetischen Gesten, überstarken Bildern, grellen Effekten. Doch setzt er sie ein, um hinter die Figuren zu blicken. Wenn Rigoletto etwa das Leid seiner Tochter beklagt und damit auch die Ungerechtigkeit der Welt, deren Opfer er zu sein glaubt, dann treten im Kirchenschiff katholische Märtyrerfiguren auf (Kostüme: Katharina Weissenborn). So sieht Rigoletto sich selbst und so erkennt er nicht, dass er am Schluss statt der toten Gilda deren blutdurchtränktes Gewand in den Händen hält. Sie hat sich am Ende von ihm gelöst, geht als eigenständige Person in den selbstgewählten Tod. Und so löst der Regisseur gleichzeitig auch noch das Realitätsproblem, das der Oper ja generell eingeschrieben ist, nämlich dass Gilda lange nach dem Mord noch so herzzerreißend singt. Termine Nächste Vorstellungen: 24., 30. März, 2., 7./, 3., 16., 22., 28. April.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x