Kaiserslautern Die Kunst und der Koloss

115 Jahre war er ganz alleine, nun bekommt er Gesellschaft – wenn auch nur in der Theorie. Da gruppiert sich moderne Architektur um den altehrwürdigen Humbergturm. Eine Reise ins Land der Fantasie, entsprungen der Fantasie von Studenten der Hochschule Kaiserslautern, ganz real zu sehen im Foyer des Rathauses. Dort wurde die Ausstellung gestern eröffnet.

Um es gleich glasklar vorwegzunehmen: Eine Chance auf Realisierung des Projektes, das den Titel „Akademie für Architektur, Kunst und Natur am Humbergturm“ trägt, gibt es nicht. Sie liegt nach den Worten von Oberbürgermeister Klaus Weichel „bei null Prozent“, denn der Humberg ist Kernzone im Biosphärenreservat Pfälzerwald und dort darf noch nicht einmal eine Unterstellhalle für Holzarbeiter zusammengezimmert werden. Nicht für gänzlich ausgeschlossen hält es hingegen Professor Werner Bäuerle, Fachbereich Bauen und Gestalten der Hochschule Kaiserslautern, dass das Zentrum doch einmal gebaut werden könnte. Der Professor meint, auch der Humbergturm sei mal mitten in den Wald gebaut worden und er wolle nicht ganz ausschließen, dass seine Fiktion Wirklichkeit werden könnte. Bäuerle mag den Humbergturm, joggt öfter dort hoch und kam dadurch auf die Idee, dort eine fiktive Bebauung zum Gegenstand einer Semesterarbeit zu machen. Damit haben sich Studenten des fünften Semesters an der Hochschule versucht, die Arbeiten werden benotet, für den besten Entwurf gibt es zudem 1000 Euro Prämie. Holzbauweise, energieeffizient, nachhaltig und unter Einbeziehung des bald 115 Jahre alten Humbergturms: Das waren die Vorgaben für die acht Entwürfe, die nun zwei Wochen lang im Foyer zu sehen sind. Warum kreist eine Semesterarbeit um ein Projekt, das wohl nie verwirklicht wird? Es gehe darum, Visionen zu schaffen, die zum Nachdenken anregen, auch wenn sie nicht realisierbar seien – „um das Durchspielen was wäre, wenn“, erläutert Bäuerle. Allein die Topographie mit dem Steilhang zur Stadt hin sei eine Herausforderung. Es gehe um den Blick in die Ferne, um den Blick in den Wald, um die ferne Stadt und die nahe Natur. Die Entwürfe lassen der Fantasie denn auch freien Lauf. Auf einer Fläche von 60 auf 60 Metern gruppieren sich Gebäude mit Seminarräumen und Schlafmöglichkeiten, auf dem Plateau und in den Hang hinein, alle in Flachbauweise, manche miteinander verbunden, andere frei stehend auf dünnen Spinnenbeinen, wie Insekten anmutend, und mittendrin immer der Koloss Humbergturm, mächtig und sich keinen Deut darum scherend, was ihm da an Kopfgeburten auf den steinernen Leib rückt. Den Humbergturmverein, der sich um das „heimliche Wahrzeichen von Kaiserslautern“, so Vorsitzender Werner Lademann, kümmert, schert es auch keinen Deut, wie realitätsfern oder -nah die Entwürfe sind; sie rückten den Turm ins Bewusstsein der Bürger, sagt Lademann, was ganz im Interesse seines Vereins ist. Auch der Oberbürgermeister freute sich über die Kreativität der Studenten und meinte, die Realität hole sie noch früh genug ein – beispielsweise wenn ein Gremium wie der Lauterer Stadtrat über Entwürfe von ihnen zu befinden habe – und viele, viele der 52 Mitglieder etwas dazu zu sagen hätten. (dür)

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