Kaiserslautern Der weltberühmte Denker von Todtnauberg

Auch wem Martin Heidegger nicht viel sagt, der bringt vielleicht doch mit dessen Namen zweierlei in Verbindung: Sein und Nationalsozialismus. Um den Begriff des Seins kreist Heideggers Philosophie. Das nationalsozialistische Engagement hat erst jüngst wieder für Diskussionen gesorgt, als seine Notizen aus der Zeit des Dritten Reiches veröffentlicht wurden. Vor 125 Jahren, am 26. September 1889, wurde Heidegger in dem südbadischen Schwarzwaldort Meßkirch geboren.

Als der Komponist Alban Berg, ins Studium einer Wagner-Partitur vertieft, einmal auf Wagners schlechten Charakter und dessen Antisemitismus angesprochen wurde, antwortete er nur knapp: „Sie sind kein Komponist!“ Es wäre ein Leichtes, empörten Kritikern der Parteinahme Heideggers für den Nationalsozialismus entgegenzuhalten, sie seien nicht vom Fach. Zu einfach macht es sich jedoch, wer den Schöpfer von seinem Werk trennt. Wie also hängen Heideggers Frage nach dem Sein und sein politisches Engagement zusammen? Die jetzt veröffentlichten sogenannten „Schwarzen Hefte“ Heideggers bringen kaum Neues. Bereits in den 80er Jahren hat der Freiburger Historiker Hugo Ott anhand der Quellen herausgearbeitet, dass die Ambitionen des 1976 gestorbenen Heidegger nach der Machtergreifung weit über die Stellung eines Rektors der Universität Freiburg hinausgingen. In der berüchtigten Antrittsrede vom 27. Mai 1933 sprach Heidegger sich gegen die Selbstverwaltung der Universitäten und für die Befolgung des Führerprinzips aus. Sein eigentliches Bestreben lief jedoch darauf hinaus, „den Führer zu führen“. Nach dem baldigen Rückzug vom Rektorat durfte er unbehelligt bis zum Kriegsende Vorlesungen halten. Nach dem Krieg erteilte ihm die französische Besatzungsmacht Lehrverbot. Überraschen konnten die jetzt veröffentlichten Notizhefte nur, weil sie antisemitische Bemerkungen enthalten. In ihnen ist etwa von „Entwurzelung“ des „Weltjudentums“ die Rede. Die zuvor veröffentlichten Schriften Heideggers sind dagegen frei von solchen Einlassungen. Wer es hätte wissen wollen, hätte jedoch Heideggers antisemitische Einstellung schon seit langem kennen können. Wenige Tage nach dessen NSDAP-Eintritt am 1. Mai 1933 machte sein Lehrer und Vorgänger auf dem Freiburger Lehrstuhl, Edmund Husserl, in einem Brief seinem offenbar seit langem schwelenden Unmut Luft. „Vorangegangen ist“, schreibt er, „der von ihm vollzogene Abbruch des Verkehrs mit mir und in den letzten Jahren sein immer stärker zum Ausdruck kommender Antisemitismus – auch gegenüber seiner Gruppe begeisterter jüdischer Schüler und in der Fakultät.“ In Frankreich, wo Heidegger unter anderem wegen der Berufung Jean-Paul Sartres und Jacques Derridas auf seine Philosophie mehr verehrt wird als in Deutschland, war die Bestürzung über die „Schwarzen Hefte“ am größten. Indessen lassen sich die Anfänge der Rezeption Heideggers in Frankreich kaum anders denn als Missverständnis bezeichnen. Heidegger selbst wehrte sich bekanntlich gegen die Verwässerung seiner Fundamentalontologie in Sartres Existenzphilosophie. „Sein und Zeit“, Heideggers grundlegendes Buch aus dem Jahr 1928, lässt sich auch als Indiz einer tiefgreifenden Krise und als Aufruf zu einer Entscheidung des Einzelnen lesen. Eine entscheidende Rolle in dem Buch kommt der „vorlaufenden Entschlossenheit zum Tode“ zu. Für Heidegger mag dieses Existential ausschlaggebend für seine Parteinahme für den Nationalsozialismus gewesen sein. Sartre hat es in seinem Drama „Tote ohne Begräbnis“ in Szene gesetzt, indem er Widerstandskämpfer in der Gewalt der SS um die Bewahrung ihrer Würde ringen lässt. Heideggers Philosophie ist in ihrem Kern Widerstand gegen die Moderne. Das erklärt, wie sie der Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis aufsitzen konnte. Ihr antimoderner Affekt und Aufruf zur Besinnung machen aber ihre fortdauernde Aktualität zumal für ein ökologisches Bewusstsein aus. Moderne seit dem Ausgang des Mittelalters, das bedeutet die rückhaltlose Unterwerfung der Natur und ihre Zurichtung für menschliche Zwecke gegenüber der Unverfügbarkeit des Seins; Moderne, das bedeutet ständige Unruhe und nervöse Hektik statt Bewahrung oder Wahrheit des Seins; Moderne bedeutet uniforme Vermassung und Mediendemokratie gegenüber dem, was jeder Einzelne eigentlich ist; Moderne bedeutet Wissenschaftsgläubigkeit und die Unterstellung des Einzelnen in den Dienst der Technik. Kurz, Moderne ist für Heidegger gleichbedeutend mit „Seinsvergessenheit“. Wer sich ernsthaft auf Philosophie einlässt, der kommt um eine Beschäftigung mit den Schriften des weltberühmten Denkers vom Todtnauberg nicht herum.

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