Kaiserslautern Der Mief des Bösen

Es riecht muffig und ist mit seiner 70er-Jahre-DDR-Innenarchitektur an Spießigkeit kaum zu überbieten: Das seither kaum veränderte Büro des letzten Stasichefs Erich Mielke ist ein zentrales Objekt der neuen Dauerausstellung „Staatssicherheit in der SED-Diktatur“, im Haus 1 des Berliner Stasimuseums. Anlass der neuen Ausstellung ist der Sturm von DDR-Bürgern und Bürgerrechtlern auf das Stasihauptquartier am 15. Januar 1990, mit dem Ziel, eine umfassende Zerstörung von Stasiakten zu verhindern.

Seit den Anfangsjahren verstand sich das Museum im alten Stasihauptquartier als ein Ort, der in einer demokratischen Gesellschaft zugänglich sein will für alle. Jörg Drieselmann, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und Museumsleiter, nennt diese Aufarbeitung der dunklen Machenschaften der Spitzelbehörde einen Akt der „Dämonenaustreibung“. Im Machtzentrum der Stasi, das bis Januar 1990 so geheim war, dass sogar die meisten Stasimitarbeiter es niemals gesehen haben, geben jetzt Dokumente, Fotos, Film- und Tonaufnahmen sowie Objekte der Stasi Einblick in die Geschichte, Funktion und Arbeitsweise der SED-Geheimpolizei und zeigen die Folgen ihres Tuns. Die neue Dauerausstellung ist der Versuch, wichtige Teile aus allen vorausgegangenen, kleineren Ausstellungen zu systematisieren und in ein gesellschaftliches und historisches Narrativ zu bringen: „Es ist mir auch wichtig zu zeigen, dass das Ministerium für Staatssicherheit nicht allein der böse Bube war. Alles staatliche Handeln in der DDR diente dazu, die Herrschaft der SED zu sichern, durchzusetzen und alle Lebensbereiche unter Kontrolle zu halten“, erklärt Drieselmann. Die Ausstellung macht an Einzelbeispielen klar, wie umfassend, gründlich und personalintensiv die Überwachung war. Stasi-Lehrfilme zeigen, wie Mitarbeiter beim Durchsuchen einer Wohnung vorzugehen hatten. Wie jeder Gegenstand in einer zu durchsuchenden Wohnung vorher stundenlang fotografiert wurde, damit nachher wieder alles am gleichen Platz lag. In einer Vitrine liegen klobige, metallene Geräte, mit denen die Gummierung von Briefumschlägen aufgedampft und der Inhalt ausspioniert wurde. Auch die berühmten „Schnüffelgläser“ dürfen nicht fehlen: Die Stasi sammelte tausende von Geruchsproben und legte von Bespitzelten ein Duftarchiv an. Es enthielt in Einmachgläsern gelagerte gelbe Staubtücher, die Verdächtigen nach einer Festnahme unter die Achseln geklemmt wurden, um Duftstoffe aufzusaugen. Diese wurden dann von speziell trainierten Hunden mit Duftproben von vermeintlichen Tatorten verglichen. Drieselmanns Lieblingsthema ist die „Speichernutzungsordnung“, wie das damals im Stasi-Sprachgebrauch hieß, die bisher in keiner Ausstellung thematisiert wurde. Große Kästen mit Karteikarten, die dem MFS-Mitarbeiter mittels Schlagwortverzeichnis zeigten, bei welchem „Informationsspeicher“, sprich welcher staatlichen Stelle, er an welche Art von Information kam. Ohne seinen Schreibtisch zu verlassen, drang der Stasimitarbeiter so tief in die privatesten Sphären der Bespitzelten ein – und das noch ganz ohne Computer. Was Drieselmann dabei besonders perfide findet, ist der Umstand, dass keine Behörde verpflichtet war, Auskunft zu geben und es trotzdem fast immer tat. Erweitert wurde das Einholen privater Informationen mit Hilfe von „Auskunftspersonen“, in der Stasi-Sprache „AKP“. Das konnte der Hausmeister sein oder ein Nachbar. Über jede AKP wurde, geordnet nicht nach Namen, sondern nach der Adresse, eine Karteikarte angelegt, mit einer Bewertung über die Auskunftsfreudigkeit und Qualität der Information. So entstand ein System, das flächendeckend überall im Land Informationen abrufen konnte. Drieselmann schätzt, dass bis zu 20 Prozent der DDR-Bevölkerung als AKPs katalogisiert waren, meistens ohne es zu wissen, denn die Staatssicherheit operierte natürlich mit gefälschten Dienstausweisen von anderen Behörden: „Sicher gab es einerseits die Lust an der Denunziation. Andererseits muss man sagen, das System war so ausgeklügelt, dass es damit bisweilen auch gelang, jemand zum unfreiwilligen Informanten zu machen, der eigentlich ein Gegner des Regimes war“, bemerkt Drieselmann. Nach dem Rundgang durchs Museum mit Drieselmann läuft dem Besucher beim Gedanken an Erich Mielkes Büro endgültig ein Schauer über den Rücken: Wie viele tausend Befehle hat der Stasi-Chef an diesem Schreibtisch unterzeichnet? Befehle, die unzählige Menschen zu Verfolgten machten und so viele Leben zerstörten.

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