Kaiserslautern Düsterste Stunden, unendliche Dankbarkeit

Heino, einst Volksmusiker, im Alter nun plötzlich Rocker, präsentiert sich in seiner Autobiografie „Mein Weg“ als Mann der Tat. Als Erfolgsmensch. Der 76-Jährige schwelgt, gemeinsam mit seiner Ghostwriterin, in Anekdoten. Dass es fast zwei Jahrzehnte still um ihn war, wird nicht erwähnt.

Lieber erzählt das Buch vom Coup des Comebacks: Die große Plattenfirma meint es gut mit Heino. Sie bietet ihm einen lebenslangen Vertrag. Sie will dafür Partyhits, Ballermannstoff wie von Mickie Krause. Doch Heino will sich lieber den „schönsten deutschen Rock- und Popsongs“ widmen. Eine andere Plattenfirma findet sich, und so lässt er die lebenslangen Partyhits sausen und entscheidet sich für das Nachsingen von Liedern von Die Ärzte, Rammstein oder Marius Müller-Westernhagen. Es ist sein Buch, es ist seine Sicht der Dinge. Deshalb darf er sich feiern. „Heino ist die coolste Sau der Welt!“, rufen seine Fans. „Ich liebe meine Fans!“ ruft Heino. Ein Sänger als Kultfigur. Im Leben des Heinz Georg Kramm, als der Heino 1938 geboren wurde, ist so einiges passiert. Da ist das Flüchtlingskind, das seinen Vater im Krieg verliert. Da ist der Volksschüler, der die Musik für sich entdeckt, obwohl der Musiklehrer ihn für unmusikalisch erklärt. Da ist der Bäckerlehrling, dessen Gesellenstück, eine Haselnusstorte, die Note „gut“ bekommt. Schon im Alter von 16 Jahren hat Heino seine ausgeprägte Baritonstimme, aus der er unbedingt Kapital schlagen will. In verschiedenen Formationen spielt er Schlagermusik nach, bis er 1965 entdeckt wird. Die Stationen seines Lebens sind sehr stark mit Personen verknüpft. Die Mutter. Der Entdecker und Förderer Ralf Bendix, der ihn von der Amateur- in die Profiliga bringt und 20 Jahre berät. Die dritte Frau Hannelore, die seit 1972 nicht von seiner Seite weicht und der ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Menschen wie ihnen ist Heino im Buch sehr oft „unendlich dankbar“, für sie dankt er sehr oft auch „dem lieben Gott“. Ausführlich klärt Heino auch über sein Privatleben auf. Über erste Male, über bescheidene Hochzeiten und teure Scheidungen, über einen Seitensprung mit Folgen, über das eheliche Kind Uwe, das viele Wege geht, aber nicht ankommt, und das uneheliche Kind Petra, das sich das Leben nimmt. Für Schicksalsschläge – schwere Krankheiten, Tod – sucht er ausgiebig nach den richtigen Worten, ohne sie zu finden. Dann sind „die düstersten Stunden“, „der dunkelste Tag“ oder „der schlimmste Moment“ angebrochen, dann ist die Kehle „zugeschnürt“ und ein Dolch geht „mitten ins Herz“. Auch an Rechtfertigungen spart er nicht. Warum deutsche Volkslieder? Warum die drei Strophen der Nationalhymne aufgenommen? Warum in Südafrika aufgetreten, als dort noch Apartheid herrscht? Warum Riesenärger mit der Versicherung nach einer abgesagten Tournee? Doch das ist an Einblicken noch nicht genug. Ständig ist von Träumen die Rede, die sich erfüllen (das rote Akkordeon, die erste Platte, das eigene Café) oder von Geheimnissen, die zu lüften sind (die dunkle Sonnenbrille wegen der Augenerkrankung, das blonde Toupet, das Glück mit Hannelore). Immerhin folgen auf echte Übertreibungen auch echte Superlative, die Heino stolz heranzitiert: in Wacken mit Rammstein beim „größten Rockfestival der Welt“ aufgetreten, am Brandenburger Tor zu Silvester bei der „größten Party Deutschlands“ dabei gewesen. Der früher schlagernde, heute rockende Volkssänger zieht alle Register, um seinem Leben das Beste, das Schönste, das Wahrste, das Traurigste zu entlocken. Unter dieser Marotte der knalligen Kategorisierung der Ereignisse, aber gleichzeitig biederen Vereinfachung ihrer Schilderung leidet das Buch. Die von Heino und seiner Co-Autorin Martina Mack bevorzugte schlichte, pathetische, oft phrasenhafte, deshalb meist grobe Sprache hat nicht die Mittel für eine vielschichtige, lebendige Darstellung. Zum Verständnis einer durchaus interessanten deutschen Lebensgeschichte trägt „Mein Weg“ dennoch mehr bei als gedacht. Der neue Heino ist der alte Heino. Der wahre Heino ist noch ein anderer. (Foto: dpa)

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