Kaiserslautern Bratsche ohne Nebengeräusche

Zehn Bratschen entführten am Sonntagvormittag das Publikum auf der gut besuchten Werkstattbühne des Pfalztheaters unter dem Motto „Bratsche total“ auf eine Reise durch die Musikliteratur vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik und gleichzeitig rund um den Globus. Ein Kammerkonzert auf höchstem Niveau, „ohne störende Nebengeräusche durch Violine und Cello“, wie Johannes Pardall ironisch bemerkte.

Das Altinstrument der Violinfamilie steht eine Quinte unter der Geige und eine Oktave über dem Cello und besticht durch seinen reizvollen, samtigen Klang. Das zeigte sich auch bei diesem Kammerkonzert. Zudem durften die zehn Protagonisten ihre eigenen musikalischen Vorstellungen entwickeln. Eine schöne Idee, zumal dadurch der Fortgang der Interpretationsgeschichte außerordentlich plastisch wurde. Telemanns Concerto Nr. 1 in C-Dur für vier Violen klang federnd-leicht, und die Vielfalt von melodischer Weite und rhythmischer Präzision wurde glänzend umgesetzt. Vor allem aber war betörend, wie einfach hier klang, was doch so immens schwierig umzusetzen ist: Der Schulterschluss zwischen der melodischen Linie und ihrer polyphonen Vernetzung geriet nicht nur klar, sondern wirkte ganz leicht, ganz selbstverständlich und natürlich. Auch mit Bachs „Air“ aus der Orchestersuite Nr. 3 für vier Violen belebten die Musiker den Geist einer entschwundenen Epoche wieder. Ein echter Ohrenschmaus. Dass der Engländer Edward Elgar ein Form- und Klangkünstler erster Güte ist, spürte man bei seinem „Salut d’amour“ op. 12 für vier Violen, das die vier Musiker mit Raffinement umsetzen. Zarte, filigran instrumentierte Episoden wechselten mit schwungvollen, brillanten Tableaus und hatten eine große Eindringlichkeit. Blitzsauber war auch die Interpretation von Kurt Noacks „Heinzelmännchens Wachtparade“ op. 5 für acht Violen. Aus einem Guss spielte dabei das Oktett, wobei jeder Ton höchst präzise und makellos stimmte. Genau wie Schostakowitschs „Cheremyushki-Galopp für acht Violen“, das das Oktett in mitreißendem Tempo und spritzig pointiert zelebrierte. Ganz anders wiederum Piazzollas „Meditango“ und „Violentango“ für sieben Violen. Die Musiker spielten nicht nur mit optimalem Biss, sondern genau mit den Zwischentönen, Glissandi und Schwankungen, die Piazzollas Musik so unverkennbar machen. Wer sich vor zeitgenössischer Musik nicht fürchtet, war mit dem Stück „Bivalence III“ für zwei Violinen des Japaners Shin Ichiro Ikebe (komponiert 1999) bestens bedient. Das Duo spannte dabei einen einzigen spröden Spannungsbogen, agierte extrem dynamisch, extrem farbig und behandelte die unaufhörlichen, leidenden Dissonanzen, die zwischen den beiden Instrumenten eine fast magische Wirkung erzielten, sehr sorgfältig. Grenzüberschreitend wirkte ebenso „Contemplation“ des Koreaners Isang Yun (1988). Hierbei schien der Takt aufgehoben zu sein, und die beiden Bratschisten agierten völlig frei, dabei sehr farbenreich, elegisch, aus dem Pianissimo heraus äußerst zart und sanft. In der begeistert geforderten Zugabe demonstrierten die Zehn aber auch, dass sie mit Auszügen aus der „West Side Story“ humorvoll, mitreißend und wie aus einem Guss spielen können. Das Publikum saß auf der Sitzkante.

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