Kaiserslautern Bessere Versorgung zu Hause für sterbende Menschen

Zu Hause in gewohnter Umgehung bei den Liebsten sterben – diesen Wunsch wohl fast aller unheilbar Kranker wollen die Mitarbeiter
Zu Hause in gewohnter Umgehung bei den Liebsten sterben – diesen Wunsch wohl fast aller unheilbar Kranker wollen die Mitarbeiter der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ermöglichen.

„Übers Sterben zu reden hat noch niemanden umgebracht.“ Ganz nach diesem Motto will das SAPV-Care Team Kaiserslautern das Tabu über die Begleitung unheilbarer Kranker im letzten Lebensabschnitt, also palliative Versorgung, brechen. Im März hat sich die GmbH in Kaiserslautern angesiedelt – als zweiter Anbieter bisher, ein dritter wird voraussichtlich bald folgen.

„Kommunikation ist ganz wichtig!“ Darin ist sich Josif Amam, der ärztliche Leiter der SAPV-Care GmbH in Kaiserslautern, mit seinen Kollegen einig. Gespräche mit Betroffenen und Angehörigen sowie Aufklärung seien ein Hauptbestandteil ihrer Arbeit, der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV).

Im März hat sich das Team aus drei Palliativmedizinern, acht Pflegekräften mit palliativer Weiterbildung und drei medizinischen Fachangestellten für die Verwaltung auf dem Einsiedlerhof niedergelassen, erläutert Bruno Gliemmo, pflegerischer und organisatorischer Leiter der SAPV Care GmbH, die derzeit einen zweiten Standort im saarländischen Lebach aufbaut. Das Team ist für die Stadt Kaiserslautern sowie die Verbandsgemeinden Weilerbach, Ramstein-Miesenbach, Bruchmühlbach-Miesau und Landstuhl zuständig – das Los elf, wie Jan Rößler, Sprecher der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, bestätigt. „Die Krankenkassen haben die jeweiligen Gebietslose auf Basis statistischer Werte, beispielsweise Einwohnerzahl und demografischer Schnitt, zugeschnitten“, erläutert er. Die Verbandsgemeinden Enkenbach-Alsenborn und Otterbach-Otterberg gehören nicht zu dem Los.

200 bis 300 Kilometer am Tag

Bereits seit Juni 2020 hat das SAPV Saarschleife Team Rheinland-Pfalz der im Saarland gegründeten Streit-Gruppe die Zulassung für das Gebietslos elf und ein Büro in Landstuhl. „Unsere rund zehn Ärzte und 30 Pflegekräfte sind für insgesamt vier Lose in Rheinland-Pfalz zuständig, jene aus dem Gebiet Baumholder versorgen derzeit Kaiserslautern mit“, informiert der ärztliche Direktor Arnd Schifferdecker. Rund hundert SAPV-Patienten seien es insgesamt, „im Los elf derzeit rund 15, bis zum Herbst wird die Anzahl auf rund 50 steigen“, schätzt er. Wegen der vielen Hausbesuche kommen bei ihm „200 bis 300 Kilometer am Tag“ zusammen.

Schon sehr lange in palliativer Versorgung tätig ist der vor 25 Jahren gegründete Hospizverein für Stadt und Landkreis Kaiserslautern. „Wir haben nun die Zulassung für SAPV beantragt, für Mai erwarten wir die Genehmigung“, sagt Geschäftsführerin Franziska Emrich. Der Hospizverein habe sowieso schon einen großen Patientenkreis, auch in SAPV sei er bereits tätig, könne die Leistung aber erst mit Zulassung bei den Krankenkassen abrechnen.

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung hat zum Ziel, schwerstkranke sterbende Menschen zu Hause bestmöglich zu versorgen. Da Heilung nicht mehr möglich ist, steht im Mittelpunkt, die Lebensqualität zu erhöhen und nicht die Lebenszeit zu verlängern, wie der ärztliche Gesamtleiter Manfred Clemens betont.

Im Vergleich zum ambulanten Hospiz bietet die spezialisierte ambulante Palliativversorgung eine 24-Stunden-Rufbereitschaft, „in der immer eine ärztliche und eine pflegerische Kraft zur Verfügung stehen“. Außerdem sind Hausbesuche vorgeschrieben, mindestens einmal wöchentlich bis mehrmals täglich. So sei die Behandlung immer an den aktuellen Zustand angepasst.

Gesetzlicher Anspruch seit 2007

Auf diese Versorgung hat „seit 2007 jeder gesetzlichen Anspruch“, informiert Sara Pinl, die die pflegerische Gesamtleitung inne hat. „Voraussetzung dafür ist eine Diagnose über eine lebenslimitierende Krankheit.“ Eine ambulante oder stationäre Hospizversorgung ist dagegen auch ohne solche Diagnose möglich.

Während im Hospiz viele Ehrenamtliche arbeiten, seien in der SAPV „hoch spezialisierte medizinische Fachkräfte“ tätig, ergänzt Clemens. Das bedeute jedoch nicht, dass das SAPV-Team keine psychologische Hilfe leistet. „Alle Pflegekräfte habe eine Palliative-Care-Zusatzausbildung, die Ärzte nach der Facharztausbildung eine palliative Zusatzausbildung“, erläutert Silvia Rauen, ärztliche Leiterin für Lebach. „Dazu gehören sehr viele Gespräche!“, ergänzt ihre Kollegin für die pflegerische Leitung, Petra Schonk-Hilger.

Der Hausarzt wird in die palliative Begleitung einbezogen. „Viele fürchten jedoch, dass sie durch uns Patienten verlieren, dabei entlasten wir sie. Andere wissen nichts von SAPV“, sieht Schifferdecker noch viel Aufklärungsbedarf. „Wenn der Notarzt gerufen wird, kommt es oft zur Krankenhauseinweisung – und dazu, dass der Patient unnötigen kurativen Behandlungen und Untersuchungen unterzogen wird“, berichtet Amam. „Ein Patient mit Atemnot möchte einfach wieder Luft bekommen; er möchte nicht aus seiner Umgebung herausgerissen und an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden.“

80 Prozent der Patienten haben Krebs

Die SAPV-Care-Mitarbeiter arbeiten meist von zu Hause aus und versorgen Patienten in Wohnortnähe. „In Team-Besprechungen tauschen wir uns aus, so dass für den Bereitschaftsdienst jeder über jeden Patienten informiert ist.“ 80 Prozent der Patienten habe Krebs, der Rest leide beispielsweise an Herzerkrankungen oder Niereninsuffizienz ohne Dialyse. Der Zeitraum der Behandlung reiche von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten.

Fragen nach Sterbehilfe bleiben in dem Beruf nicht aus, bestätigt das Team. „Wir fragen uns dann nach dem Warum: Liegt es an einem Leiden, das wir ändern können?“ Suizidfälle seien die absolute Ausnahme. Verzichte jemand freiwillig auf Nahrung und Trinken, was laut Clemens ein natürlicher Prozess des altersbedingten Sterbens ist, greife das Palliativteam nicht ein.

„Ist die Symptomlast sehr hoch, dann gibt es noch den Weg der palliativen Sedierung, einer Art kontrollierten Schlafs“, erläutert Anästhesist Clemens. „Die kann sehr gut dosiert werden, man kann den Patienten jederzeit wieder rausholen.“ Allein das Wissen darum nimmt laut Pinl vielen die Angst – so dass Suizidgedanken und Panik verschwinden. „Aber Sedierung ist eine absolute Randerscheinung“, macht Amam klar.

Tag der offenen Tür

Am Freitag, 29. April, von 10 bis 19 Uhr, lädt SAPV Care Kaiserslautern in Einsiedlerhof, Altes Forsthaus 1 - 3, zum Tag der offenen Tür. Betroffene, Angehörige oder andere Interessierte können sich bei den Mitarbeitern im Detail informieren.

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