Kaiserslautern Artisten der Kehle

Das Publikum kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, so virtuos war der Auftritt der A-Cappella-Formation „Onair“ in Ramstein.
Das Publikum kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, so virtuos war der Auftritt der A-Cappella-Formation »Onair« in Ramstein.

Mit der Berliner A-Cappella-Formation „Onair“ präsentierte sich am Samstagabend im Ramsteiner Congress Center eine der spannendsten, kreativsten Vocal Pop Bands überhaupt. Für ihre gesangliche Perfektion und ihre kunst- und kraftvollen Arrangements von Legenden des Pop und Rock wurde die Band bereits mit vielen renommierten Musikpreisen in Europa, Asien und den USA ausgezeichnet. Die Besucher waren völlig aus dem Häuschen.

Das war wohl das Unerhörteste, was es bisher im Gesang an Präzision und Innovation, an Ausgleich der Stimmen und rhythmischer Wirksamkeit gegeben hat. Das waren fünf Artisten der Kehle. Und sie beherrschten den A-Cappella-Gesang, der ohne jegliche Mitwirkung von Instrumenten vorgetragen wird, in Perfektion. Den Groove schienen sie dabei einprogrammiert zu haben. Wer sie nicht sehen konnte, vernahm, wie schon in dem Eröffnungs-Song „Radio Ga Ga“ von Queen, doch ein virtuoses Schlagzeug und einen abgrundtiefen Bass. All diese Geräusche wurden mit dem Mund, ausschließlich stimmlich erzeugt. Das Leitthema wanderte dabei von Stimme zu Stimme. Ihr Ensemblespiel hatte den höchsten technischen Standard und erschöpfte sich keineswegs nur in vordergründiger Virtuosität. Noch verhielt sich das Publikum verhalten, aber der Applaus war gigantisch. Das Publikum ließ sich verzaubern von dem fantastischen Gruppen-Sound und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Im zweiten Song, „Adventure Of A Lifetime“ von Coldplay, ließen sich die Zuhörer dann schon willig als Echo-Chor einspannen. Neben Bass und Beatbox setzte die Imitation einer gestopften Trompete besondere Akzente. Die Wirksamkeit des Ensembles war unerhört präzise und rein. Die Stimmen von Jennifer Kothe und Marta Helmin (Sopran) sowie André Bachmann (Tenor), Patrick Oliver (Beatbox) und Kristofer Benn (Bass) waren darauf trainiert, wie Instrumente zu reagieren, mit sechzehntel und zweiunddreißigstel Noten, mit Sprüngen und Intervallen – in unglaublicher Schnelligkeit. Neben dieser Geschmeidigkeit der Stimmen bestach der Gleichklang. Jeder Tonwechsel, auch der schnellste, erfolgte synchron. Dieses Geheimnis des Zusammenklangs war entscheidend für den Erfolg des Ensembles. Jeder Song, ob Stevie Wonders „Superstition“, „Nothing Compares 2U“ von Prince, „NUMB“ von Linkin Park, „Father To Son“ von Phil Collins, „I Have Nothing“ von Whithney Houston oder „Rolling IN The Deep“ von Adele begeisterte durch atemberaubendes Tempo, die Intensität des Gesangs, durch eine gewisse Leichtigkeit und durch seinen Charme. Jennifer Kothe und Marta Helmin hatten wunderschöne, glockenreine Stimmen, die aber auch extrem beweglich sein konnten, in Loopings rasant auf und ab schnarrten und Lautmalereien produzierten. Der Hintergrundchor bestach dabei oft mit herrlichem Harmoniegesang, klang mal wie eine Orgel, mal wie ein Fanal. Und immer eindringlich, mitreißend, leidenschaftlich. Einer der absoluten Höhepunkte: „Stairway To Heaven“ von Led Zeppelin. Singen kann man diese Pop-Legende eigentlich überhaupt nicht. „Onair“ verstand es meisterlich. Aus dem Pianissimo heraus creszendieren die beiden Sopranistinnen. Bachmanns tolle Tenorstimme, Olivers klarer Bariton und Benns unglaublich tiefer Bass fügen sich allmählich ein. Der Sound gewinnt an Intensität und Dichte. Die Sopranistinnen steigern sich mit ihren dynamischen, facettenreichen Gospelstimmen in extrem hohe Stimmlagen. Dazu legte Benn einen unentwegt pulsenden Bass als Hauptschlagader, Olivers rhythmische Akzente kamen wie gemeißelt. In Echo-Effekten verschwimmende Bläsersätze, kaleidoskopartig wirbelnde „Elektrogitarren“, die wie entfesselt hochdifferenzierte Jaul- und Splitterklänge erzeugten, Pianogeflimmer und ekstatisch ausbrechendes Händeklatschen ordneten die Fünf effektsicher und geschmackvoll zu einer großen Rock-Sinfonie. Und das alles mit dem Mund! Die Hörer rasteten da ebenso aus wie bei Patrick Olivers „Beatboxeritis“, einem „Schlagzeugsolo“ mit raffiniertesten Schlagfolgen und kompliziertesten Akzentverschiebungen, wobei man sowohl die Snare, als auch Tom Tom, Bleche und Base-Drum zu vernehmen glaubte. Bei den letzten Songs stand das begeisterte Publikum nur noch und klatschte und johlte.

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