Kaiserslautern Zwischen Lauter und Spree

Gute-Laune-Fee im Kanon „April, April“: Lady-Untier Marina Tamassy, dahinter Pianist Matthias Stoffel.
Gute-Laune-Fee im Kanon »April, April«: Lady-Untier Marina Tamassy, dahinter Pianist Matthias Stoffel.

„April, April ... nein, die Untiere halten nicht still“: Unter diesem Motto sorgten die Lauterer Kabarettisten in der Reihe „Ein Untier kommt selten allein“ am Donnerstag im Edith-Stein-Haus wieder für Lachsalven und ebenso für Betroffenheit.

Wo viele Zeitgenossen sich in biedermeierlicher, altbayerischer Gemütlichkeit ihren Pfründen widmen, blasen Urgestein Marschall & Co. selbst bei politischer Flaute zum Sturm. Wie ein Wirbelwind fegten die Untiere kritisch, parodistisch und musikalisch in gecoverten und umtextierten Evergreens durch die Lande, zwischen Lauter und Spree. Und dies um so lauter, je mehr Missstände, Krisenherde und Auswüchse nach ihrer Meinung fröhliche Urstände feiern. Doch der Einstieg schien zunächst ein versöhnlicher: Der Kinderkanon „April, April“ mit Marina Tamassys zwar entschuldigt indisponierter, aber dennoch sehr ansprechender Stimme brachte einschmeichelnde Melodik und Hintersinniges unter einen Hut. Als Mut- sowie Wut-Bürgerin Berta im „Mannemer“ Dialekt skandierte sie resolut „Frieden braucht die Welt“ und schlüpfte im wechselnden Outfit wieder in verschiedenste Rollen. Als Friedensengel redete sie eindringlich in Anekdoten von Politikern und Aphorismen mit sprichwörtlichen Engelszungen. Die musikalische Begleitung ihrer Herzensergießungen oblag diesmal neben Marschalls Schlagzeug und Tulius’ Bass- und Leadgitarre dem Kuseler Jazz-Pianisten Matthias Stoffel, der seine Begleitung und Überleitungen sowie Zwischenspiele souverän einbrachte. Der launige April beschert neben Stürmen dieser kabarettistischen Art aber auch Wortgewitter in Gestalt von Wolfgang Marschall. Nach der Wahl war für ihn vor der (Kommunal-)Wahl, und da könnte es heißen: „Klausi ante portas“ – als Anspielung auf Hannibal und Loriot. In seinen Visionen sah Marschall schon Susanne Wimmer-Leonhardt als „Oböse.“ Mit seinen Wortspielereien rund ums „K in Lautern“ übertraf er sich dann im Ideenblitzgewitter selbst: K stünde für Klausi, KEF (Kommunaler Entschuldungs-Fonds), für Kammgarn, aber auch Kalkofen, Kotten und Kiefer. Und schließlich für Kabarett! Im zweiten Teil ließ Marschall seine Kindheitserinnerungen, stellvertretend für seine Zeitgenossen, Revue passieren: Mit Windeltrauma, schmerzlichem Schnullerverlust und Sauberkeitswahn mit dem Höllenschlund der Klo-Schüssel habe es seine Generation nicht leicht gehabt. Dazu unterversorgt mit Fernsehprogrammen und Kinderfilmangeboten. Gereicht wurden trockene Salzbrezelchen anstelle von heutigen Schlemmerbuffets. Kurz: Er wundere sich, dass seine Generation nicht schwer traumatisiert sei. Dies verpackte er rhetorisch gekonnt zu einem wahren Brüller. Ist der frisch gekürte Innenminister Horst Seehofer auch noch in der griechischen Mythologie bewandert? Jedenfalls legte ihm Philipp Tulius mit der Anspielung auf die Göttin des gerechten Zorns oder der ausgleichenden Gerechtigkeit, Nemesis, ideenreiche Wortspiele in den Mund. Seehofers denkwürdiger Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ wurde zur Nemesis: „Nemmen s’es ernst“ lautete die neue Botschaft. Überhaupt war Tulius in einem bärenstarken Song als Weichel-Parodie die Entdeckung des Abends: Immer noch legt er an Klasse – parodistisch und musikalisch – zu. Und so war die Fassung von John Kanders „New York“ als K’town-Ode ein Hoffnungsschimmer für alle FCK-Fans: Im Rathaus gehen nie die Lichter aus...

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