Kaiserslautern Zeitzeuge „Welschhinkel“

Die Adler-Apotheke im Jahr 1912. Bereits 102 Jahre zuvor ließ der damalige Besitzer Johann Goswin Müllinghoff den Napoleonischen
Die Adler-Apotheke im Jahr 1912. Bereits 102 Jahre zuvor ließ der damalige Besitzer Johann Goswin Müllinghoff den Napoleonischen Kaiseradler über dem Eingang anbringen.

Das Gebäude in der Marktstraße, in dem die Adler-Apotheke untergebracht ist, ist ein Stück Stadtgeschichte. Das Alter des Hauses – immerhin über 200 Jahre – lässt sich auch dank des Adlers über dem Eingang der Apotheke nachweisen.

Schon einmal wurde das Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen: Bei dem Bombenangriff am 5. Januar 1945 richtete der einstürzende Hauptturm der Stiftskirche an dem am Sonntag ausgebrannten Dachstuhl mit seinen bauhistorisch interessanten Elementen großen Schaden an. Notdürftig wurde das Dach in der Folge wieder ausgebaut, im Laufe der Jahre immer wieder modernisiert, ehe 1994 eine aufwendige Sanierung erfolgte. Fast 190 Jahre zuvor, im Jahr 1806, ersteigerte Johann Goswin Müllinghoff das Grundstück mit der Ruine der Ricardiskapelle aus dem 13. Jahrhundert, die bei der Stiftskirche stand. Müllinghoff war zu diesem Zeitpunkt Besitzer der damals schon existierenden Löwenapotheke in der Marktstraße. Drei Jahre nach dem Kauf baute Müllinghoff auf dem Grundstück ein Wohn- und Geschäftshaus im heute noch erkennbaren Stil der französischen Bauklassik. 1811 eröffnet er im Gebäude eine Apotheke.

Ehemals "Hauptstraße" und "Rue principale"

Auf dem Stadtplan von 1742 steht für die heutige Marktstraße der Name „Hauptstraße“. In der Franzosenzeit von 1796 bis 1813/14 gingen die Leute durch die „Rue principale“. An ihrem ehemaligen Nordende, wo sich die Marktstraße bei der Stiftskirche und der Adler-Apotheke aufweitet, befand sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts der Kaiserslauterer Marktplatz. Seit 1801 liegt ein französischer Plan vor, nach dem die Fackel- und die Marktgasse die „Kaiserstraße“ zu bilden hätten. Auf diesen Plan berief sich Müllinghoff immer wieder, besorgt um seine Apotheken in der Marktstraße. Schon Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts, war die Hauptstraße überlastet. Die Stadtplaner – sie wurden damals Stadtingenieure genannt – wollten eine Umgehung bauen, um die Marktstraße vom immer stärkeren Verkehr zu entlasten. Müllinghoff, der zu diesem Zeitpunkt auch Bürgermeister war, gelang es immer wieder, die Stadtplaner von diesem Konzept abzubringen – die Marktstraße blieb Hauptstraße.

Bürgermeister eilte 1804 Napoleon entgegen

Müllinghoff hatte vorgesorgt: Als Napoleon 1804 durch Kaiserslautern zog, sollen ihm der Bürgermeister und der Stadtrat entgegengeeilt sein und ihm mit dem handfesten Argument des französischen Plans von 1801 gebeten haben, dass die Marktstraße auch weiterhin Hauptstraße bleibt. Das geht aus Unterlagen des Stadtarchivs hervor. Der Präfekt und der Unterpräfekt sollen bei diesem Auftritt ebenfalls dabei gewesen sein, wie aus einer Notiz, die 1910 aufgeschrieben wurde, hervorgeht. Napoleon versicherte, dass „alles beim bisherigen Zustand“ bleiben werde. Die Zusage ist noch wörtlich überliefert: „Napoleon a donné au conseil municipal l`assurance gracieuse, que tout devra rester dans l`etat actuel.“ Die Armeen Napoleons marschierten also durch die Fackelstraße mit Linksschwenk am Rieseneck in die Marktstraße und über die Steinstraße wieder zur Stadt hinaus. An seiner neuen Apotheke ließ Müllinghoff 1810 aus Dankbarkeit den Napoleonischen Kaiseradler mit ausgebreiteten Flügeln anbringen, wo er heute noch über dem Eingang flattert. Müllinghoffs Adler war aus Holz geschnitzt. Er wurde später durch einen Gipsadler ersetzt. Die Kaiserslauterer nannten den Adler schon bald „Welschhinkel“, was „französisches Huhn“ bedeutet. „Welschhinkel“ nannten die Kaiserslauterer von jeher den Truthahn. In dem bläulichen Gefieder, dem weißlichen Kopf und den roten Läppchen am Schnabel sahen sie eine Ähnlichkeit mit der Trikolore, der französischen Nationalflagge.

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