Kaiserslautern Wenn der Autor zum Aussichtsturm wird

Text trifft auf Tasten: Der Autor und Initiator der Donnersberger Literaturtage Thomas M. Mayr und der Rodenbacher Pianist Peter
Text trifft auf Tasten: Der Autor und Initiator der Donnersberger Literaturtage Thomas M. Mayr und der Rodenbacher Pianist Peter Glanzmann in der Pfalzbibliothek.

Schon der Titel des am Mittwoch in der Pfalzbibliothek vorgestellten Buches „Zwitterwochen“ deutet es an, und die als literarisches Konzert konzipierte Lesung bestätigte es: Das vom Autor und Initiator der Donnersberger Literaturtage Thomas M. Mayr vorgestellte Buch mit Prosa und Lyrik, mit Heimat-Geschichte und -Geschichten sowie Hörspielen lässt sich nicht festlegen. Auch die Themenkreise sind zu komplex, um auf den Punkt gebracht zu werden.

Der Autor ist ein in Göllheim als Psychotherapeut praktizierender Arzt. Ihm begegnet sozusagen auf Augenhöhe dem Psychologieprofessor und Jazzpianisten Peter Glanzmann, der als Einstimmung und teilweise auch als Begleit- und Hintergrundmusik zum Vortrag passende Klänge einbrachte. Während sich Glanzmann dann doch im Wesentlichen auf Jazz-Standardtitel wie „Satin Doll“ oder „Autumn Leaves“ (passend zum Gedicht „Jetzt der Herbst“) festlegt, ist der literarische Vortrag bewusst ein Streifzug durch den Wandel der Jahreszeiten, mal visionär oder nostalgisch verklärt (etwa „Die guud Stubb“), mal als verklärter Rückblick oder banger kritischer Ausblick. Dabei bewegt sich Mayr in freier Versform, wobei sich die Metrik, Reim- und Paarbildung genauso widerspenstig einer genauen Klassifikation und Systematik entziehen wie die textlichen Inhalte. Sie bewegen sich zwischen Vergangenheit und Zukunft, paaren Wider- und Hintersinniges mit tiefenpsychologischem Tiefsinn und verwenden gerne Wort- und Satzsplitter bei fehlenden Satzzeichen. Sie bedienen sich als Gemeinsamkeit einer metaphorischen Sprache. Als weiteres Stilmittel setzt Mayr oft die Personifikation ein, wenn Dingen menschliche Eigenschaften zugeordnet werden: Da hockt etwa das „Milchhaisje“ – übrigens ein Beispiel in Mundart – an de Stroß und is de ganze Daach am Glotze. Durch die immense Vielfalt an Stoffen, Themen oder Motiven ergibt sich eine große literarische Spannung, die der Autor bei seinen entsprechend rezitierten Beispielen noch verstärkt. Und doch ergeben sich letztlich bei diesen Mosaiksteinen klare Bilder von der Lebensphilosophie und Sicht des Autors – etwa autobiografisch in Selbstironie bei Erziehungsfragen in der eigenen Familie. Letztlich steht der Autor mit einem Anflug von Selbstironie, hintergründigem Humor und einem Blick aus der Vogelperspektive auf Land und Leute da wie ein Aussichtsturm. So ist seine Ode an den Donnersberg letztlich mehr als eine Liebeserklärung, da schwingt auch zwischen poetischer Idyllisierung auch das Wissen um Vergänglichkeit, um den Wandel mit, zumal der Donnersberg durch Vulkanismus und seine Besiedlungsgeschichte (etwa durch die Kelten) vielfältigen Veränderungen ausgesetzt war. Dieses Wissen prägt latent seine Ausführungen, wenn sich unter bodenständige Verklärung auch eventueller Wandel mischt. In die Grundstimmung der Texte mischen sich in Selbstironie, gefälliger Betrachtung und heimelige Atmosphäre mit Gefühlen der Geborgenheit aber auch Unsicherheit und Melancholie. Letztlich erweist sich Mayr selbst hin- und hergerissen zwischen all diesen Empfindungen. Somit ist auch er ein geistiger Zwitter zwischen romantischen Empfindungen und naturalistischer bis überspitzter Sichtweise. Da nahmen sich Peter Glanzmanns improvisatorische Fortspinnungen und Modulationen am Beispiel eines Präludiums von Johann Sebastian Bach eher gemäßigt aus, blieb er bei Klassikern von Cole Porter oder Thelonious Monk am thematischen Kern und nahm sich bei den Lesungen als dezenter Hintergrundbegleiter zurück. Lediglich bei der Eigenkomposition „Todesrhythmus“ ließ auch er sich zum Text „Inflammation“ aus der Reserve locken, als da von Erderwärmung, brennenden Urwäldern und atomar geschundenen Wüsten die Rede war. Diese Apokalypse griff auch Glanzmann wieder musikalisch auf. Buchtipp Thomas M. Mayr: Zwitterwochen; Vechta-Langförden 2017; 135 Seiten, 12 Euro, im Buchhandel.

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