Kaiserslautern Traumhaft schöne Klangräume auf Grüner Insel

„Ausspannen in Irland“ geriet zum musikalischen Abenteuer erster Güte: Roman Wasserfuhr, Jörg Brinkmann und Julian Wasserfuhr (v
»Ausspannen in Irland« geriet zum musikalischen Abenteuer erster Güte: Roman Wasserfuhr, Jörg Brinkmann und Julian Wasserfuhr (von links) bewiesen in der Kammgarn ihr Können.

Vor zehn Jahren waren die Brüder Wasserfuhr aus Hückeswagen bei Köln die Entdeckung des Kammgarn International Jazzfestivals. Dem Level des „Young German Jazz“ sind die zwei längst entwachsen. Dass sie sich zu Recht in der Businessklasse etabliert haben, wiesen die beiden Brüder und Jörg Brinkmann am Mittwochabend im voll besetzten Cotton Club mit der Präsentation des neuen Albums „Relaxin` in Ireland“ eindrucksvoll nach.

Wie die drei aufeinander hören und daraus wunderbare Jazzgeschichten entstehen, ist ein Genuss. Julian Wasserfuhr kann auf dem Flügelhorn alles. Vor acht Jahren verblüffte er im Cotton Club bei der Präsentation des Albums „Upgraded in Gothenburg“ mit der Technik der Zirkularatmung. Jetzt besticht er mit Überblastechnik, dank der er zweistimmig zu spielen weiß. Er ist aber kein Vertreter der Höher-Schneller-Weiter-Fraktion, sondern ein Könner subtil gesetzter Töne, mit einem seltenen Gespür für Ökonomie und Balance. Kein Ton, den er spielt, scheint zu viel. Vielmehr ist es ein Strom aus schwebenden Sounds und geflüsterten Tönen. Gehauchten Wirkungen einer menschlichen Stimme näher als den schmetternden Klängen der Trompete, scheinen so Eigenkompositionen wie „Lost In Time“, „Tears“ oder „Moon Over Ireland“ (letztere Titel als Zugabe) zu sein. Mit seinem warmen Ton spielt er aber auch virtuose Chorusse von unerhörter Leichtigkeit und schafft dabei traumhaft schöne Klangräume. Roman Wasserfuhr ist mit seinem akzentuiert-strahlenden Klavierspiel an dem ausgereiften, luftigen Sound nicht minder beteiligt. In „Drunken Sailor“ mündet er nach multistilistischem Piano-Prolog in ein kurioses, ständig wechselndes Rhythmus-Puzzle. In „Schnaff“ (nach ihrem selbstgebrauten Bier betitelt) erinnern Melodik, Harmonik, Rhythmus und Form an Keith Jarrett und Lennie Tristano, in „Cello Bello“ und „Lettercollum“ greift er ins Innenleben des Flügels, wodurch die Töne kurz und knackig klingen, und in dem Ray Charles-Titel traktiert er die Tasten, dass es nur so hämmert. Wie durch Wolken spielt Roman Wasserfuhr im Sting-Titel „Englishman in New York“ Akkorde, die scheinbar nichts mit dem Stück zu tun haben, um hin und wieder Teile der Melodie aufblitzen zu lassen. Gleichberechtigter Kommilitone in dem Trio ist Jörg Brinkmann am Cello. Er hat die Zeit im Kopf, ist Schlagzeuger und Bassist zugleich. Auf seinem elektrischen Spielgerät entpuppt er sich als Hexenmeister. Im Gegensatz zu dem sonst ätherischen Celloklang produziert er spitze, kantige, beißende Klänge voll durchdringender Schärfe. Mal traktiert er die Saiten perkussiv, mal lässt er den Ton, um eine Oktave verdoppelt, oben schwebungsartig „kreiseln“, fügt schillernde Flageolett-Technik und virtuoses Akkordspiel hinzu, um mit extrem satten Schwebetönen das Fundament für die experimentellen Ausflüge der Brüder Wasserfuhr zu bilden. So bilden sich bei dem Trio schon nach den ersten Tönen dunkel leuchtende Klanglandschaften, die immer neue Horizonte öffnen. Die schlichte, fast spartanische Klarheit ist das eigentlich Faszinierende an dieser kammermusikalischen Sternstunde. Alles wirkt balladesk, schwermütig und doch so verblüffend einfach. Wie im Vorübergehen hingetupft von diesem Kollektiv der Individualisten, das den Klangpinsel schwingt, als arbeite es an einem Fresko menschlicher Empfindungen. Fühlbar für jeden, der bereit ist, sich auf diese Klangmagier und ihre Reise über die „Grüne Insel“ einzulassen. Nicht enden wollender, begeisterter Beifall. Zwei Zugaben.

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