Kaiserslautern Schwere und Tiefe sind Trumpf

Das Fotografentrio in der Ausstellung im WebEnd: Jörg Heieck, David Aebi und Hamdi Reda.
Das Fotografentrio in der Ausstellung im WebEnd: Jörg Heieck, David Aebi und Hamdi Reda.

Mit einigem Abstand und auf den ersten Blick erinnern sie an Ölbohrtürme: die Taubenschläge, die der Schweizer Filmemacher und Fotograf David Aebi auf den Dächern Kairos abgelichtet hat. Dass aber Aebis Taubentürme wesentlich fragiler als Öltürme und dazu noch gesellschaftlich relevant sind, stellt sich im Kunstraum Brownian Motion erst mit der Zeit heraus. Und auch die Fotografien, Grafiken und Bilder des Dutzends ägyptischer, vornehmlich Kairoer Künstler, die unter dem Titel „Kairo am WebEnd“ jetzt im AmWebEnd zu sehen sind, bergen ihre ganz eigenen Geschichten und bedürfen einiger Einlassung.

Die „Kairo Connection“ hat zugeschlagen – sprich: Die Fotografen Hamdi Reda, Jörg Heieck und David Aebi bringen dem hiesigen Publikum diese im Flachen gelegene, zirka 20 Millionen Menschen zählende Stadt und damit natürlich auch das Land Ägypten näher. An zwei Ausstellungsstätten gleichzeitig. Dass dabei die Eröffnungsrede Heiecks vor seinem Kunstraum Brownian Motion in der Medicusstraße 28 zwischen rot-weißen Bauabsperrungen und auf Kieshaufen spielenden Kindern stattfand, machte die Sache nicht uninteressanter. Im Kunstraum selbst sind also zur Zeit die dokumentarischen Fotografien des Berner Künstlers David Aebi zu sehen. Aebi, der auch für das schweizerische Fernsehen arbeitet, zeigt in seiner Fotoserie „Pigeon Lofts“ zerbrechliche, leicht gebaute Taubentürme über den Dächern Kairos. Konstruktionen, die zwar dem profanen Zweck der Taubenhaltung dienen, aber durchaus auch einen gesellschaftlichen Sinn haben. Denn abends lassen die ägyptischen Taubenfreunde ihre Tiere in Schwärmen kreisen, wobei sich die Nachbarn gerne auch mal ihre Tauben gegenseitig abluchsen. Recht eindrücklich erscheint die Schau der Türme in der Medicusstraße, denn die aus dünnen Latten, Palmblättern oder leichten Kanthölzern bestehenden Konstruktionen haben bis zu 14 Stockwerke und sind bis zu 30 Meter hoch. Bei der Eröffnung erinnerte David Aebi daran, dass sehr viele Menschen in Kairo äußerst ärmlich lebten, oft bäuerlicher Herkunft seien und dass die Tauben zum Zwecke der Ernährung und eben zum abendlichen Flugspiel dienten. Seine Fotografien leben neben dem Gesamteindruck der Kairoer Stadtlandschaft auch von Details, die sich beim genaueren Hinsehen erkennen lassen. So entpuppen sich etwa riesige, überhaupt nicht in den Maßstab passende Spülmittelflaschen als ausgediente Werbeträger aus Zement. Und auch bunt bemalte Rennautos, die sich seltsamerweise auf den Dächern Kairos finden, bestehen aus Gips und dienten einst als Staffage. Eine ganz eigene Welt also, die Aebi da zeigt. Und die sich ihm bei seinem monatelangen Stipendiumsaufenthalt in Kairo erschlossen hat. Nach einer guten Stunde wechselte das Publikum vom Kunstraum Brownian Motion in den Kulturtreff AmWebEnd. Denn dort hat Heiecks Künstlerfreund, der bekannte ägyptische Fotograf Hamdi Reda, eine Schau zeitgenössischer Kairoer Künstler kuratiert. Elf Ägypter und ein Syrer zeigen dieser Tage im WebEnd eindrückliche und stimmungsvolle Fotografie, Malerei und Grafik. Und wie Reda bei seiner Rede im WebEnd herausstellte, gründen alle diese Kunstwerke in einer gewissen Schwere und Tiefe, die sich laut Reda fast automatisch eingestellt habe. Obwohl er doch bei seiner Ausstellungsidee eher die hellen Seiten Kairos im Sinn gehabt habe. Doch diese Schau ist nun wirklich außergewöhnlich geraten. Mal sind Stadtansichten im kubistischen Stil übermalt, mal ist impressionistisch weiche und diffuse Malerei zu sehen. Andere Arbeiten haben einen fast surrealen Charakter, und wieder andere erscheinen futuristisch und unwirklich. Grafische Elemente vervollständigen an sich schon erstklassige Fotografie, und Fotografie geht in treffliche Malerei über. Aktuelle künstlerische Stimmungen aus der Metropole Kairo, die ohne das Engagement Redas und Heiecks wohl nie den Weg nach Kaiserslautern gefunden hätten. Toll auch, dass zuvor schon bestehende Vernetzungen der Lauterer Szene in diesem Zuge Früchte tragen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kunstraum und dem Kulturtreff erscheint jedenfalls vollständig gelungen und könnte der Anfang weiterer Kooperationen sein. Schade nur, dass beide Ausstellungsplätze nur sehr beschränkt geöffnet sind und dem Publikum nach den Eröffnungen eher selten zur Verfügung stehen. Hier bestünde doch noch einiger Organisationsbedarf. Zumal beide Ausstellungen unkonventionell und hoch interessant erscheinen. Ausstellungen Die Schau „Pigeon Lofts“ mit Arbeiten von David Aebi ist im Kunstraum Brownian Motion in der Medicusstraße 28 nach telefonischer Absprache unter 0176/75921574 zu sehen. Das AmWebEnd mit der Schau Kairoer Künstler in der Richard-Wagner-Straße 55 ist in den kommenden Wochen donnerstags von 19 bis 22 Uhr geöffnet.

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