Kaiserslautern Sagenhafter Marathonlauf

Tolle Moderatorin, Organisatorin, Sängerin: Astrid Vosberg; hier stellt sie die neue Übertitelungsanlage vor, finanziert von den
Tolle Moderatorin, Organisatorin, Sängerin: Astrid Vosberg; hier stellt sie die neue Übertitelungsanlage vor, finanziert von den Theaterfreunden.

Alle Sparten gleichzeitig bei einer Gala auf der Bühne und dazu Zusatzkräfte wie die Band Vanden Plas oder Kinder- und Extrachor – und doch sprengte die ausverkaufte Veranstaltung am Sonntag nicht nur damit den üblichen Rahmen. Sie war daneben minutiös und akribisch geplant, publikumswirksam präsentiert (beides: Astrid Vosberg) und wurde künstlerisch mit Bravour gestemmt. Ein Mammutprogramm über mehr als drei Stunden, konzipiert als Marathonlauf durch nahezu alle Stile und Genres mit Blick auf aktuelle Produktionen und frühere. Sagenhaft!

50 Jahre gibt es den Förderverein Freunde des Pfalztheaters, und den nostalgischen Rückblick fing Filmproduzent Karl-Heinz Christmann mit seinen Kurzfilmen atmosphärisch und kaleidoskopartig ein. Er bewies dabei den Blick für das Wesentliche. Die Gala selbst hatte turbulente Massenszenen, die an Monumentalopern wie Verdis Aida erinnern. So bei einem Ausschnitt aus der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß mit Chor und Orchester sowie vielen Gesangssolisten. Präsentieren allein genügte den Organisatoren nicht, wirkungsvolles Positionieren oder wie der Kinderchor Einlaufen und sich selbst Inszenieren, das ergab ein sehr unterhaltsames, revueartiges Erlebnis der außergewöhnlichen Art. Regieeinfälle gab es in Hülle und Fülle, so wurden der Vorsitzende des Fördervereins Michael Krauß und Intendant Urs Häberli in einem Eiswagen per Fahrrad auf die Bühne gebracht. Von der Dauer der mit Höhepunkten nur so gespickten Veranstaltung erinnerte sie an eine Wagneroper, von der Konzeption der als Entertainerin, Moderatorin und Gesangssolistin wieder erfolgreichen Astrid Vosberg her an eine Broadway-Bühnenshow. Häppchenkultur notgedrungen anstelle kompletter Bühnenwerke, wobei diese Programmatik ohnehin trendy scheint: Richard Strauss’ Tondichtung „Also sprach Zarathustra“ verfehlte als spektakuläre Eröffnungsfanfare ihre einstimmende Wirkung nicht, nahm höchstens mal kurz einen Blechschaden (Horneinsätze), doch dann nahm das Flaggschiff Theaterorchester unter voller Takelage Kurs auf. Als Kapitän bewährte sich der sich kurzfristig eingesprungene Trierer GMD Victor Puhl. Unter seiner Stabführung spielte das Orchester sehr homogen, klanglich und stilistisch flexibel und konnte vom Rock-Mysterium „Everyman“ über Oper, Operette, Ballett- und Filmmusik sowie Musical den ständig wechselnden Anforderungen gerecht werden. Die Platzierung im Bühnenhintergrund ergab einen runden, weichen und dezenten Klangteppich, der für die Begleitung von Solo-Arien – die bekannte Mezzosopranistin Susan MacLean und Tenor Carlos Moreno – ideal war. Die Mezzosopranistin reüssierte vor allem mit der Habanera aus Bizets „Carmen“. Sie zeigte, dass das Pfalztheater großartige Stimmen weiterentwickelt, wobei jetzt das Nationaltheater Mannheim davon profitiert. Der genannte Tenor gehört mit der Puccini-Arie „Nessun Dorma“ zu den auffälligsten stimmlichen Erscheinungen. Er legte seine ganze Strahl- und Ausdruckskraft hinein. Vielleicht wäre trotz dieser immensen Vielfalt das Programm auf Dauer doch ermüdend gewesen, hätte nicht Wirbelwind Astrid Vosberg mit Charme und Charisma, ihren wechselnden Bühnenrollen und in Interaktion mit dem Publikum ständig für Unruhe im positiven Sinn gesorgt. Obwohl der Ablauf eigentlich nur glanzvolle Beiträge enthielt und es auch szenisch keinerlei Leerlauf gab, ragte sie dennoch mit ihrer Bühnenpräsenz heraus: sowohl musikalisch wie auch darstellerisch. Die Bühne ist einfach ihre Welt. Zusammen mit den hauseigenen Kräften wie Adrienn Cunka, Daniel Böhm, Günther Fingerle und Jan Henning Kraus lud Vosberg bei einem nostalgischen Rückblick in Form eines gigantischen Musical-Medleys (Theaterproduktionen der letzten 50 Jahre) so als Showmasterin zu einem Gewinn-Ratespiel ein. Aus dem Publikum plötzlich auftauchende skurrile Gestalten wie die beiden Muppets-Show-Grantler Waldorf und Statler (verkörpert großartig von Rainer Furch und Oliver Burkia) und die fesselnde Szene der Musen mit weiteren Kräften des Schauspielensembles (unter anderem Hannelore Bähr, Barbara Seliger und Henning Kohne) zeigten dessen Vielseitigkeit unter Schauspieldirektor Demmer. Ebenso hat das Ballett, das sich jetzt Ensemble Tanz nennt, mit seinem Ausschnitt der Produktion „Sutherlands Giselle“ eine Akzentverschiebung und Öffnung zum modernen Tanztheater demonstriert. Und der zweite Kapellmeister Anton Legkii bestätigte solide Schlagtechnik, Übersicht und klare Werk- und Klangvorstellungen, die er direkt auf das flexible Orchester übertragen konnte. Eine Miniausgabe des „Talks unter Freunden“ brachte neben Moderator und RHEINPFALZ-Redakteur Fabian R. Lovisa den früheren und den amtierenden Intendanten, Johannes Reitmeier und Urs Häberli, sowie Freundeskreischef Michael Krauß auf die Bühne. Interessant waren vor allem Reitmeiers Erfahrungen in Österreich als eine Kulturnation ohne bisherige Finanzierungsdiskussionen. Krauß peilt beim Förderverein die Grenze von 700 Mitgliedern an und zeigte sich stolz über 350 Jugendabos. Das Programm präsentierte passend dazu einen bestens disponierten Kinderchor und zwei hochveranlagte Solisten mit Seunghee Kho (Sopran) und Ke An (Bariton) aus dem neugegründeten Opernstudio. Ein klares Bekenntnis für Jugendarbeit!

Starker gemeinsamer Auftritt: der vielköpfige Kinder- und Jugendchor des Pfalztheaters gemeinsam mit Streichern aus den Reihen d
Starker gemeinsamer Auftritt: der vielköpfige Kinder- und Jugendchor des Pfalztheaters gemeinsam mit Streichern aus den Reihen des Orchesters.
Fesselnde Tanzszenen: Risa Yamamoto und Ermanno Szebbo.
Fesselnde Tanzszenen: Risa Yamamoto und Ermanno Szebbo.
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